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Einfach losfahren

Einfach losfahren

Titel: Einfach losfahren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fabio Volo
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mich verlobt habe. Es war ihr Klang, ihre Stimme, ihre zarte Melodie, die mich ins Reich der Bedeutungen getragen hat. Und die mich lehrte, dass ich auf der tiefen Stille schwimmen und mich frei dahintragen lassen konnte, mühelos, von einer geheimnisvollen Kraft gehalten, die ich in allen Dingen zu erkennen begann. In den Morgen- oder Abendstunden, wenn alle Geräusche sich legten, wurde die Stille ein täglich wiederkehrendes faszinierendes Versprechen, bot unendliche Möglichkeiten des Seins. Die Stille wurde eine Belohnung. Sie war nicht mehr Mangel, sondern Überfluss. Die Tage vergingen wie die Sonnenuntergänge, die alle gleich aussehen, aber jedes Mal eine andere Stimmung hervorrufen. Es ging mir gut. Zutiefst gut. Ich dachte an Fede und spürte ihn immer bei mir. Sophie hatte mir ein paar T-Shirts und Shorts von Federico geschenkt. Jetzt trug ich ihn am Leib.
    Früher war ich ein ängstlicher Mensch gewesen. Ich hatte Angst, weil ich nicht sah. Ich war wie ein Kind, das sich durch ein dunkles Zimmer bewegt. Jetzt war alles heller: Es gab Licht, es gab Liebe. Ich lernte, dass das Gegenteil von Liebe nicht Hass ist. Hass ist Abwesenheit von Liebe, so wie Dunkelheit Abwesenheit von Licht ist. Das Gegenteil von Liebe ist Angst. Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich keine Angst, besser gesagt, ich hatte gelernt, so damit umzugehen, dass die Angst mich nicht beherrschte. Von dem Moment an, da ich meine Ängste anerkannt hatte, hatten sie langsam ihre Macht über mich verloren. Früher war es mir vorgekommen, als könnte ich nur wenig im Leben erreichen. Nun schien es mir unendlich viele Möglichkeiten zu geben. Mein Leben war grenzenlos. Meine Familie waren nicht mehr nur meine Verwandten; jeder Mensch, dem ich begegnete, gehörte dazu, wie Sadi. Und dank ihrer konnte ich mich verbessern. Wie es Federico vorhergesagt hatte.

Ein neues Leben – beziehungsweise zwei
     
    An einem dieser Abende schrieb ich:
    »Hier sind die Nächte wirklich dunkel, nicht wie in der Stadt. Ich bin im Haus, die Tür steht offen. Alles ist still, nur leise Geräusche. Das Rauschen des Meeres und das Geräusch der Gegenstände, die ich verrücke oder berühre. Tassen, Löffel, Gläser. Von ferne hört man einen Hund bellen und im Hintergrund ständiges Grillenzirpen, das allem einen warmen Klang gibt. Wohin ich auch schaue, immer findet mein Blick etwas, was mir gefällt. Ich bin von Schönheit umgeben. Das gedämpfte Licht der Nachttischlampe hinten im Zimmer, die weißen Vorhänge, die sich im Wind bauschen, der Holztisch, die Flammen der Kerzen, die durchsichtige Wasserkaraffe und die Tröpfchen, die außen daran entlangperlen. Vor ein paar Minuten war ich draußen. Die Sterne waren zu sehen. Sie flackerten. Mein Großvater hat mir einmal erzählt, nachts würde Gott eine Decke zwischen die Erde und die Sonne hängen, damit wir schlafen können, und die Sterne wären Sonnenstrahlen, die durch die Löchlein in der Decke dringen. Seitdem muss ich jedes Mal, wenn ich nachts die Sterne betrachte, an diese Geschichte denken. Und immer gab es einen, der blinkte, wie um mir den Weg zu weisen.
    Ich spüre eine Ruhe im Herzen. Das Leben durchdringt mich und liebkost jede Zelle. Ich bin angeknipst. In diesen dunklen Nächten kommen mir oft Gedanken aus Licht. Aus meinem tiefen Innern steigt ein Gruß und sucht Federico.«
    Ich legte den Stift hin, klappte den Notizblock zu und ging spazieren. Ich sah Sophie auf ihrer Veranda sitzen. Durch das Fenster hinter ihr drang ein schwacher Lichtstrahl. Wie ein Caravaggio-Gemälde. Ich ging zu ihr. Wir schauten uns an, sie lächelte leise. Man sah eine Träne auf ihrer Wange. Die erste, die ich bei ihr sah. Ich setzte mich neben sie. »Geht es dir nicht gut? Was ist?«
    »Nichts, ich hab nur nachgedacht.«
    »Darf ich bleiben, oder möchtest du lieber allein sein?«
    »Nein, bleib ruhig.«
    »Woran hast du gedacht, an Federico?«
    »Auch. Ich hab über dies und das nachgedacht, und irgendwann musste ich weinen. Ich dachte an Federico und was es für mich bedeutet hat, ihm zu begegnen, an die Tatsache, dass er mir ein Kind dagelassen hat, das in mir heranwächst, und was ich ihm sagen werde, wenn es mich nach seinem Vater fragt. Ich dachte auch daran, wie anders mein Leben verlaufen wäre, wenn ich ihn nie kennengelernt hätte. Weißt du, er hat mir sehr viel beigebracht, dank seiner sehe ich viele Dinge anders. Ich hab dir doch von dem Foto vorm Eiffelturm erzählt, das ich erst nicht machen wollte

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