Einfach sexy
hatten, bemerkte sie, wie Jesse zusammenzuckte. Er schnellte herum und sah sie an. »Was meinst du damit?«
»Ich habe mir ein Video von Westchester angeschaut.«
Tief getroffen ließ er die Schultern hängen, biss die Zähne zusammen, spannte nervös seine Halsmuskulatur an – mag sein, dass er insgeheim sogar aufatmete, dass die Sache nun kein Geheimnis mehr war.
Kate umarmte ihn innig. Für einen kurzen Augenblick gab er ihr nach – mit herunterhängenden Armen. Sein Atem ging stoßweise. Nach einem endlos scheinenden Moment stieß er einen gequälten Schrei aus. Dann schlang Jesse die Arme um sie und verbarg sein Gesicht an ihrer Schulter.
»Oh, Jesse«, hauchte sie und presste ihre Handflächen auf seine breiten Schulterblätter. »Wieso willst du nicht darüber reden? Du hast ihr das Leben gerettet. Ich habe genau gesehen, wie du dich um die Frau bemüht hast. Du bist wirklich ein Held.«
Er löste sich von ihr. »Nein, das bin ich nicht. Davis hatte völlig Recht. Zu ihrer Rettung hätte es gar nicht erst zu kommen brauchen.«
»Er hat aber angedeutet, dass du sie mit dem Golfschläger verletzt hast.«
»Scheißdreck.«
»Sag mir doch, was passiert ist, Jesse. Ich möchte die Wahrheit von dir erfahren.«
Wie ein Ertrinkender umklammerte er ihre Arme, dann brach es aus ihm hervor. »Es war noch dunkel, und sie kam praktisch aus dem Nichts. Sie schrie Jesse, Jesse! und rannte mitten in meinen Schlag auf der Driving Range. Dabei traf der Schläger ihren Brustkorb, und sie brach zusammen.«
Diesen Moment hatte die Kamera nicht eingefangen.
»Du sagst doch selbst, dass sie einfach zu euch gelaufen kam. Das hat zu dem bedauerlichen Unglück geführt, aber dafür kannst du nichts.«
Wie um sich zu erinnern, schloss er die Augen.
»Jesse, du hast sie gerettet.«
»Tommy hat Recht mit seiner Behauptung, dass es dazu nicht hätte kommen müssen. Danach war ich für alle der Held. Und zum ersten Mal wurde mir wirklich bewusst, was aus mir geworden war. Wer ich war. Die Medien berichteten über mich und mein Leben. Dreißig-Sekunden-Spots. Sechzig-Sekunden-Spots. Drei- und vierminütige Einblendungen von Jesse Chapman und seinem Werdegang. Ich sah mich selbst, im Zeitraffer komprimiert, festgelegt auf das Sonnyboy-Image, den wilden Typen. Und das passte mir weiß Gott nicht. Es vermittelte mir auch, dass Derek in allem Recht hat, was er von mir behauptet.« Jesse schüttelte den Kopf und lachte zynisch auf. »Ich habe gesoffen und Frauengeschichten gehabt, dass es fast nicht mehr wahr ist.«
»Vielleicht bist du gerade deshalb ein Held.«
Er sah sie entgeistert an. »Was redest du da?«
»Dein Vater war dir ein schlechtes Vorbild, und trotzdem hast du dein Leben in den Griff bekommen. Du hast vieles richtig gemacht. Sieh bloß mal, was du für Travis getan hast. Du hättest Belinda genauso gut Geld geben und dich elegant aus der Affäre ziehen können. Meiner Meinung nach hast du wenigstens versucht, dich korrekt zu verhalten. Und ganz egal, was damals vorgefallen ist, du hast diese Frau gerettet … Und du willst die Leute in dem Glauben lassen, dass du sie verletzt hast, obwohl das gar nicht stimmt.«
Jesse erstarrte.
»Dein Vater hat sie mit dem Schläger getroffen, nicht du. Du willst ihn nur schützen, wie du das jahrelang versucht hast.«
Jesse trat nervös von einem Fuß auf den anderen. »Das kannst du doch gar nicht wissen.«
»Und ob ich das weiß. Du hast dich mit keinem Wort der Presse gegenüber zu dem Vorfall geäußert, denn sonst hättest du zugeben müssen, dass es dein Vater war. Du verteidigst ihn seit deiner Kindheit, als die Leute zweifelten, dass er ein guter Vater sei. Wenn die Lehrer dich danach fragten, hast du beteuert, dass er großartig sei. Du hast all die schönen, normalen Vater-Sohn-Geschichten erfunden, statt die Wahrheit zu sagen. Ich erinnere mich genau, Jesse. Du hast eine Menge Unsinn über eure Beziehung erzählt, und ich wusste genau, dass es gelogen war. Eben habe ich mir dieses Westchester-Video wieder und wieder angesehen. Irgendwann dämmerte es mir. Dein Vater hat den Schläger gehalten. Nicht du.«
»Dass Dad einen Golfschläger in der Hand hatte, beweist gar nichts.«
»Ach nein? Ich möchte wetten, dass du an dem besagten Morgen noch keinen Schläger angerührt hattest.« Ihre Stimme wurde sanfter. »Welcher Profigolfer schlägt denn mit Straßenschuhen einen vollen Korb Bälle?«
Jesse schien sie mit seinem Blick zu durchbohren.
»Als ich das
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