Einfach sueß, diese Janey
Thomas an. Er erwiderte ihren Blick mit grimmigem Stolz. Aber Janey sah plötzlich den kleinen Jungen, der von den anderen Kindern gehänselt und von den Lehrern mit Unverständnis behandelt worden war. Sie sah den jungen Mann, der von den harten Burschen auf dem Bau verspottet worden war, bis er hinter einer Schutzmauer des Schweigens Zuflucht, gesucht und sich eine rauhe Schale zugelegt hatte, um alle Anfeindungen abzuwehren.
Janey brach in Tränen aus. Noch nie hatte sie sich so in einem Menschen geirrt, noch hatte sie sich so geschämt.
Im ersten Moment wirkte Thomas völlig verblüfft, dann machte sich in seinem Gesicht blankes Entsetzen breit. Verwirrt sah er sich nach Hilfe um, und als sich so schnell keine anbot, schien er davonlaufen zu wollen. Doch er tat es nicht. Ein fast sanfter Ausdruck huschte über sein sonst so verschlossenes Gesicht und nach kurzem Zögern legte er beruhigend die Arme um Janey.
"Ugh, ugh", versuchte er, sie zu trösten.
Seine unbeholfenen Laute machten ihr die Schwere seiner Behinderung bewusst, und sie weinte noch heftiger. Wie lange war dieser Mann schon im Gefängnis seiner Sprachlosigkeit gefangen. Seine abweisende Art war nichts als ein Schutzschild, damit man ihn in Ruhe ließ und sein Handicap nicht entdeckte.
Keiner hatte das durchschaut. Sie, Janey, gewiss nicht, und ebenso wenig Vic. Wie kann ihm das verborgen geblieben sein?, fragte sie sich fassungslos, und ihr Zorn auf Vic erwachte erneut.
"Es tut mir leid", schluchzte sie und brachte nicht die Kraft auf, mit dem Weinen aufzuhören. All ihre aufgestauten, chaotischen Gefühle schienen sich Luft machen zu wollen und Thomas hielt sie geduldig weiter in seinen Armen.
"Lass sie los! Auf der Stelle!"
Janey schaute über Thomas' Schulter und blickte direkt in Vic's funkelnde blaue Augen. "Lass sie los, oder du bist ein toter Mann.", verkündeten sie.
Thomas ließ seine Arme sinken und drehte sich zu Vic um.
Sofort sprang Janey schützend vor ihn.
"Nein, Vic! Es ist nicht so, wie es aussieht. Thomas hat mir nicht weh getan."
"Thomas?" wiederholte er irritiert. "Schön, was hat Thomas dann getan? Und vielleicht hat Thomas die Güte, für sich selbst zu sprechen. "
Janey sah das schmerzvolle Aufleuchten in den Augen des drahtigen Bauarbeiters, bevor sein Gesicht den üblichen verschlossenen Ausdruck annahm.
"Darf ich ihm das zeigen, Thomas?" fragte sie und deutete auf den Zettel, den sie immer noch in der Hand hielt. "Ja?"
Er zuckte die Schultern, als ob es ihm egal sei.
"Lesen Sie das, Vic." Sie reichte ihm den Zettel. Er überflog ihn rasch, und alle Kampfbereitschaft schwand aus seinem Gesicht.
"Es tut mir leid, Thomas", sagte er dann so aufrichtig zerknirscht, dass Janey fast wieder die Tränen kamen. "Ich hatte keine Ahnung. Ich wusste nur, dass es gestern zwischen dir und Janey eine Meinungsverschiedenheit gab. Als ich eben um die Ecke kam und sah, dass du sie festhieltest und sie weinte, habe ich den falschen Schluss gezogen. Es tut mir leid."
Thomas nickte und nahm Vic's Entschuldigung mit schlichter Würde und auch Verständnis entgegen. Janey begriff plötzlich, dass Thomas Vic sehr gern mochte, was sie nur noch mehr verwirrte.
"Ich nehme an, dass ich deinen Namen falsch verstanden habe, als du ihn mir bei deiner Einstellung nanntest", fuhr Vic behutsam fort. "Du sagtest nicht ,Tuffy`, nicht wahr?"
Thomas schüttelte den Kopf.
"Ich werde dich also von jetzt an Thomas nennen. Wenn ich sonst noch etwas für dich tun kann, lass es mich wissen. Die Versicherung würde dir vermutlich eine Therapie bezahlen, falls du das wünschst." Thomas nickte wieder genauso würdevoll und ging davon.
"Wie konnte Ihnen das verborgen bleiben?" fragte Janey vorwurfsvoll.
"Passen Sie auf, Lady, was ich im Moment gerade nicht brauchen kann, ist von Ihnen zu hören, dass ich ein Esel bin, okay? Das weiß ich selbst, und ich bin nicht sehr stolz darauf. Aber ich brauche keine Belehrung von Miss Wohltäterin."
"Wie kommen Sie dazu, so abfällig von mir ..."
"Ach, vergessen Sie es. Die Dachbalken können jeden Moment geliefert werden, und ich bin nicht vorbereitet. Das fehlt mir gerade noch. Da steht ein Kran, der pro Stunde hundert Dollar frisst, nutzlos herum, während ich mich hier in Seelentraining übe!"
Er wandte sich ab und stampfte davon. Ganz entfernt kam ihm dabei in den Sinn, dass er Janey ursprünglich hatte aufsuchen wollen, um ihr sein Bedauern über die Krankheit ihres Vaters auszudrücken. Das sollte
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