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Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Titel: Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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Holz muß verfault sein«, sagte Flambeau. »Obwohl es merkwürdig erscheint, daß es mich tragen kann, während Sie durch die verfaulte Stelle brechen. Lassen Sie mich Ihnen heraushelfen.«
    Doch der kleine Priester besah sich neugierig die Kanten und Splitter des angeblich verfaulten Holzes, und auf seiner Stirn erschien ein Anflug von Besorgnis.
    »Los doch«, rief Flambeau ungeduldig, der immer noch seine große braune Hand ausgestreckt hielt. »Oder wollen Sie nicht rauskommen?«
    Der Priester hielt einen Splitter des zerbrochenen Holzes zwischen Zeigefinger und Daumen und antwortete nicht sofort. Schließlich sagte er nachdenklich: »Rauskommen? Eigentlich nicht. Ich glaube, ich möchte lieber reingehen.« Und damit tauchte er so jäh in die Dunkelheit unter dem Holzboden, daß der ihm seinen großen klerikalen Hut mit den hochgebogenen Krempen vom Haupte stieß und auf dem Bretterboden liegen ließ, ohne ein klerikales Haupt darinnen.
    Flambeau schaute erneut landeinwärts und seewärts und konnte erneut nichts anderes erblicken als eine See so winterlich wie der Schnee, und Schnee so eben wie die See.
    Dann erklang hinter ihm ein eilendes Geräusch, und der kleine Priester kam schneller aus dem Loch herausgekrochen, als er hineingestürzt war. Sein Gesicht sah nicht mehr fassungslos aus, sondern sehr entschlossen und, vielleicht durch den Widerschein des Schnees, ein bißchen blasser als gewöhnlich.
    »Na?« fragte sein großer Freund. »Haben Sie den Gott des Tempels gefunden?«
    »Nein«, antwortete Father Brown. »Ich habe gefunden, was manchmal noch wichtiger war. Das Opfer.«
    »Was beim Teufel meinen Sie damit?« schrie Flambeau, aufs tiefste erschrocken.
    Father Brown antwortete nicht. Er starrte mit gerunzelter Stirn in die Landschaft; und plötzlich wies er auf sie. »Was ist das da drüben für ein Haus?« fragte er.
    Indem er seinem Finger folgte, sah Flambeau zum ersten Mal die Ecken eines Hauses, das näher stand als der Bauernhof, aber zum größten Teil von Bäumen verdeckt war. Es war kein großes Gebäude und stand ein gutes Stück vom Ufer entfernt; aber das Schimmern seiner Verzierungen verriet, daß es wie der Musikpavillon, die kleinen Gärten und die Eisenbänke mit den geschwungenen Rückenlehnen zur Promenadenanlage des Seebades gehörte.
    Father Brown sprang vom Musikpavillon herab, und sein Freund folgte ihm; und als sie in die angegebene Richtung schritten, verschoben sich die Bäume nach rechts und links, und sie erblickten ein kleines, ziemlich aufgedonnertes Hotel, wie das in Seebädern üblich ist – Hotel mit Bar, und nicht mit Trinkstube. Fast die ganze Vorderfront bestand aus vergoldeter Stukkatur und Buntglas, und zwischen der grauen Küstenlandschaft und den grauen hexenhaften Bäumen wirkte sein verspielter Aufputz in seiner Melancholie fast gespenstisch. Sie hatten beide das undeutliche Gefühl, daß wenn einem in solch einer Gaststätte Speise oder Trank geboten wurde, es sich um den Pappmachéschinken und die leeren Humpen der Pantomime handeln müsse.
    Das allerdings sollte sich nicht ganz bestätigen. Als sie näher und näher kamen, sahen sie vor dem Buffet, das offensichtlich geschlossen war, eine der eisernen Gartenbänke mit der geschwungenen Rückenlehne, die die Gärten verzierten, aber sehr viel länger, fast die gesamte Vorderfront entlang. Vermutlich hatte man sie so aufgestellt, damit Besucher dort Platz nehmen und auf die See hinausblicken konnten, aber man würde kaum erwarten, daß irgend jemand das in solchem Wetter täte.
    Dennoch aber stand gerade vor dem äußersten Ende der Eisenbank ein kleiner runder Restauranttisch, und darauf standen eine Flasche Chablis und eine Schale mit Mandeln und Rosinen. Hinter dem Tisch saß auf der Bank ein dunkelhaariger junger Mann, der barhäuptig in einem Zustand der erstaunlichsten Unbeweglichkeit aufs Meer hinaus starrte.
    Doch obwohl er auch eine Wachspuppe hätte sein können, als sie noch 4 Meter entfernt waren, sprang er wie der Teufel-aus-der-Kiste auf, als sie 3 Meter Distanz erreichten, und sagte in ehrerbietiger wenngleich nicht unterwürfiger Weise: »Wollen Sie nicht hereinkommen, meine Herren? Zwar ist gegenwärtig niemand vom Personal da, aber irgend etwas Einfaches kann ich Ihnen selbst vorsetzen.«
    »Sehr liebenswürdig«, sagte Flambeau. »Dann sind Sie also der Besitzer?«
    »Ja«, sagte der dunkle Mann und verfiel wieder ein bißchen in seine Bewegungslosigkeit. »Meine Kellner sind alle

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