Eingesperrt - Jessica Daniel ermittelt (German Edition)

auf, um seine Version der Wahrheit zu verkünden. Vorige Woche war er schon wieder in der Zeitung, weil er gemeinsam mit einem Parlamentarier aus Manchester irgendeine Kampagne starten will. Ein junger Kollege hat das Foto von ihm aus der Zeitung gerissen und an eine Dartscheibe geheftet. Und jeder hat gern mal draufgehalten.«
    »Du kannst doch gar nicht gut genug zielen, um ihn im Gesicht zu treffen.«
    »Wer sagt denn, dass ich auf sein Gesicht gezielt habe. Es war ein Ganzkörperfoto.«
    Caroline musste grinsen. »Du kannst den Kerl wirklich nicht ausstehen, was?«
    »Der Typ ist ein Arschloch.« Jessica redete zu Hause nicht gern über die Arbeit, aber sie hatte Caroline gegenüber schon öfter über Hunt gezetert.
    Als sie Harry unterstellt wurde, ermittelte der gerade gegen Frank Worrall, einen stadtbekannten Gauner. Sie wollten ihn wegen Geldwäsche drankriegen, aber Menschenhandel, Förderung von Prostitution, Kreditwucher und die eine oder andere Körperverletzung hätten auch zur Wahl gestanden. Worrall hatte seine Finger in allen möglichen Geschäften, die auf dem Leid anderer beruhten, aber es war nicht einfach, ihm etwas nachzuweisen. Harry hatte schon ein Jahr lang immer wieder an dem Fall gearbeitet, und Jessica hatte in der Endphase mitgeholfen, die Anklage vorzubereiten.
    Worrall war nicht dumm. Er hatte eine ganze Armee von Leuten, die für ihn arbeiteten. Die Straßendealer waren leicht zu schnappen, aber sie achteten immer darauf, keine zu großen Drogenmengen dabeizuhaben. Die Dealer wurden immer schnell wieder auf freien Fuß gesetzt und sie verrieten nie jemanden. Aber selbst wenn sie gewollt hätten, sie wussten gar nicht, dass Worrall der Drahtzieher war. Schließlich wurde Worrall vom Criminal Investigation Department und der übergeordneten Serious Crime Division verhaftet. Die Staatsanwaltschaft war offensichtlich der Ansicht, dass die Beweislage ausreichte, um Anklage zu erheben.
    Aber niemand hatte mit Peter Hunt gerechnet.
    Es war etwa ein Jahr her, da hatte der Anwalt Harry und die gesamte Polizei von Manchester als eine Bande von verbitterten Nichtskönnern dargestellt, die sich nur für ihre Aufklärungsraten interessierten und einen persönlichen Kleinkrieg gegen seinen Mandanten führten. Worralls Frau hatte im Zeugenstand geheult und beteuert, was für ein guter Mensch ihr Ehemann doch sei. Schluchzend erzählte sie, wie er sich Tag für Tag für sie und ihre Kinder abrackerte, und Hunt reichte ihr, um den dramatischen Effekt zu steigern, noch eine Packung Taschentücher. Gegen Ende des Prozesses saßen, um den emotionalen Druck zu erhöhen, auch die Kinder mit ihren Großeltern im Gerichtssaal, und Worrall erzählte, wie er das Bauunternehmen seines Vaters übernommen hatte und alles tat, damit der alte Mann stolz auf ihn sein konnte. Er behauptete beharrlich, die Polizei hätte sich geirrt, und er verstände überhaupt nicht, warum sie ihn auf dem Kieker hatten.
    Selbst Jessica musste zugeben, dass es eine grandiose Vorstellung war.
    Gegen diese emotionsgeladene Darbietung hatten es die belastenden Unterlagen, die die Polizei zusammengestellt hatte, natürlich sehr schwer. Die Geschworenen waren einerseits mit der weinenden Ehefrau und den verängstigt dreinschauenden Kindern konfrontiert und andererseits mit einer komplizierten Auflistung verdächtiger Geschäfte, die auf kriminelle Aktivitäten hindeuteten. Auf der einen Seite der redegewandte, gutaussehende Anwalt, aufder anderen müde Polizisten, die aus Notizbüchern vorlasen. Da war der Ausgang klar.
    Die acht männlichen und vier weiblichen Geschworenen befanden Worrall in allen Punkten für nicht schuldig. Hunt begleitete ihn als freien Mann hinaus auf die Treppe des Gerichtsgebäudes, beide die Arme in einer Siegesgeste in die Luft gestreckt. Der Anwalt sagte live in den Fernsehnachrichten, Worralls Unschuld zu beweisen sei der Höhepunkt seiner Karriere, und die Polizei müsse ihre Ermittlungsstrategien überdenken.
    Als wenn er sich damit bei der Polizei nicht schon unbeliebt genug gemacht hätte, hatte er auch noch Carpenters Fall übernommen, ihn aus der Untersuchungshaft freibekommen und den Staatsanwalt überredet, die Anklage von versuchtem Mord in schwere Körperverletzung umzuwandeln.
    Harrys mangelnde Kooperation hatte die Sache auch nicht gerade günstig beeinflusst, und Hunt hatte sich in der Vorverhandlung für seinen Mandanten verbürgt und gesagt, er würde bis zum Hauptverfahren persönlich die