Eingesperrt - Jessica Daniel ermittelt (German Edition)
Verantwortung für ihn übernehmen. Deshalb war Carpenter seit acht Monaten auf freiem Fuß.
Jessica störte sich nicht an Hunts Frisur, seiner Herkunft oder seinem Beruf, aber dass er versuchte, diesen Typ rauszuhauen, war schon ziemlich mies – selbst für jemanden wie ihn.
Sie faltete die Zeitung zusammen und legte sie auf den Tisch. Das Riesenfoto von Hunt auf der Titelseite machte sie so wütend, dass sie sich irgendwie ablenken musste. Harry hatte ihr viele gute Ratschläge erteilt, aber eines hatte er ihr besonders ans Herz gelegt: Sie sollte darauf achten, dass neben der Arbeit ihr Privatleben nicht zu kurz kam.
»Hast du Lust, heute ein bisschen auszugehen?«, fragte Jessica.
»An einem Sonntag? Musst du morgen nicht arbeiten?«
»Doch, aber wir müssen ja nicht übertreiben, oder?«
»In Ordnung, aber wir gehen nicht in den Pub an der Ecke.«
Jessica nickte. »Okay, aber wir sollten vielleicht erst mal ein bisschen saubermachen, bevor wir rausgehen.«
»Willst du mir damit zu verstehen geben, ich soll es machen?«
»Nun ja, vielleicht … aber ich mache in meinem Zimmer sauber.«
Caroline lachte. »Du hörst dich an wie eine Achtjährige.«
Als sie die Wohnung neu bezogen hatten, wollte Caroline das Zimmer mit den mädchenhaften Farben haben. Jessica war ganz zufrieden mit dem hellblau gestrichenen. Die Wände in Carolines Zimmer waren lila und sie hatte sich einen farblich passenden Bettbezug gekauft. Jessica hatte schon, solang sie denken konnte, dieselbe dunkelbraune Bettwäsche, und das zu den blassblauen Wänden … Ihr Zimmer war auch immer viel unordentlicher als Carolines, und ihre Kleidung stapelte sich größtenteils auf dem Fußboden.
»Also abgemacht«, sagte Jessica. »Du räumst Flur, Küche und Wohnzimmer auf und ich hänge die Klamotten weg, die bei mir auf dem Boden rumliegen.«
»Meinetwegen, aber nur, wenn du nachher für den Wein bezahlst.«
»Ich habe doch gesagt, ich will nicht in diesen Laden …«
Jessica wusste, dass Caroline den Pub bei ihnen in der Nähe nicht mochte, aber sie hatte keine Lust, in die Innenstadt zu fahren. Da war die Gefahr zu groß, dass der gemütliche Abend ausuferte. Schließlich hatte sie am nächsten Tag einiges zu tun. Und so konnte sie sich auf dem Rückweg noch etwas vom Imbiss holen, davon hatte sie aber Caroline nichts gesagt.
»Ich weiß, aber es ist so schön nah, und so schlimm ist es hier auch nicht«, antwortete Jessica.
»Vielleicht nicht für jemanden mit so einem billigen Geschmack wie du«, sagte Caroline mit einem breiten Grinsen.
»Ach, und wem gehört das Oberteil, das du anhast?«
»Ich ziehe doch in so einer Kaschemme nicht meine eigenen Klamotten an.«
Die beiden kicherten, während die anderthalb Flaschen Wein, die sie bereits intus hatten, langsam Wirkung zeigten.
»Ich finde, du kannst mir das Oberteil auch schenken«, sagte Caroline.
»Wieso das denn?«
»Ich weiß noch genau, dass ich dir vor Jahren mal fünfzehn Pfund fürs Taxi geliehen habe, als du noch mit diesem Graham zusammen warst. Und das Geld habe ich nie zurückgekriegt.«
Das stimmte vielleicht sogar, aber Geld war nie ein Problem zwischen ihnen gewesen. Jessica hatte vor Kurzem nach langer Zeit die erste Gehaltserhöhung bekommen. Caroline machte Karriere in der Werbebranche. Sie hatte seit einigen Jahren eine gut bezahlte Stelle bei einer Agentur und hätte sich auch eine eigene Wohnung leisten können.
Beide mussten wieder lachen. »Ooh, Graham.«
Caroline und Jessica kamen aus demselben Ort in der Nähe von Carlisle, circa hundertachtzig Kilometer nördlich von Manchester. Aber sie hatten sich erst so richtig kennengelernt, als sie beide mit sechzehn in die Oberstufe kamen und sich am ersten Schultag im Geschichtskurs nebeneinandersetzten.
Jessica dachte oft, wie seltsam es doch war, dass eine rein zufällige Entscheidung einen so großen Einfluss auf ihr Leben haben konnte.
Da sie beide Einzelkinder waren, fühlten sie sich von Anfang an zueinander hingezogen und wurden bald unzertrennlich. Und als sie beide achtzehn waren, reisten sie zusammen ein Jahr durch Südostasien. Caroline hatte sich für einen Studienplatz an der Universität von Manchester beworben, und obwohl Jessica nicht vorhatte zu studieren, zog auch sie nach ihrer Rückkehr aus Asien dorthin. Anfangs wohnten sie noch nicht zusammen. Caroline war in einem Studentenwohnheim untergebracht und Jessica fand ein Apartment ganz in der Nähe ihrer späteren gemeinsamen Wohnung.
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