Eingesperrt - Jessica Daniel ermittelt (German Edition)
Jessica Daniel weigerte sich, den Fall weiter zu kommentieren.« Es stand sogar etwas Schmeichelhaftes über sie in dem Artikel, nämlich dass ihr »die Leitung der Ermittlungen anvertraut« worden war. Wenn ihre Vorgesetzten das lasen, glaubten sie garantiert, sie wäre die undichte Stelle. Die werden an die Decke gehen, dachte Jessica. Und da der Journalist sie am Vortag angerufen hatte, würde, sollte es zu einer internen Ermittlung kommen, seine Telefonnummer auf ihrem Anrufprotokoll auftauchen.
Da Garrys Nummer sich noch auf ihrer Anrufliste befand und sie sowieso schon mit Ärger rechnen musste, rief sie ihn auf dem Heimweg vom Pub einfach an. Sie wusste nicht, ob sie sofort mit einer Tirade von Kraftausdrücken loslegen oder sich in einem obszönen Crescendo nach und nach steigern sollte.
Nach dem sehr einseitigen Gespräch konnte sie sich nicht mehr an alles erinnern, was sie gesagt hatte, aber sie wusste noch, dass sie gedroht hatte, etwas sehr Unangenehmes mit seinem Enddarmbereich anzustellen, und außerdem hatte sie wohl eine Reihe ganz neuer Schimpfwörter erfunden.
Am Montag erschien sie früher als sonst auf der Wache und sah direkt bei ihrer Ankunft die Zeitung auf dem Empfangstresen liegen, wo der an diesem Morgen diensthabende Sergeant gerade die Titelseite las. Die Schlagzeile war die Gleiche wie online, aber der Artikel barg noch eine böse Überraschung. Da man offenbar kein Foto vom Opfer hatte auftreiben können, hatte die Zeitung einfach eines von ihr abgedruckt. Und ausgerechnet so ein schreckliches Passfoto, das die Pressestelle der Polizei auf ihrer Website veröffentlicht hatte.
Direkt unter der riesigen Schlagzeile zu der Mordgeschichte prangte das Foto, auf dem sie total dämlich grinste. Und gerade, als sie dachte, es könnte nicht mehr schlimmer kommen, sah sie, wie Detective Chief Inspector William Aylesbury ganz schwungvoll durch die große Doppeltür in die Empfangshalle spaziert kam.
Die meisten Leute mit dem Namen William hatten nichts dagegen, wenn man sie Will oder Bill nannte. Es war ihnen sogar lieber. Aber nicht dem DCI. Natürlich nannte sie ihn Sir, aber wenn er sich vorstellte, betonte er jede einzelne Silbe: Will-iam Ayles-bu-ry. Und dabei rollte er auch noch ganz feierlich das R.
Er gehörte zu den Leuten, die aus Familientradition zur Polizei gingen. Vater und Großvater waren in der Metropolitan Police gewesen, und sein Sohn hatte kürzlich den Uniformdienst an einer anderen Wache der Greater Manchester Police angetreten. Und sie hatte keinen Zweifel, dass Aylesbury demnächst zum Detective Superintendent aufsteigen würde, da der derzeitige, Dominic Davies, bald in Ruhestand gehen würde.
Der Detective Chief Inspector hatte kurzes, graues Haar und war Anfang fünfzig, aber da er sehr auf sich achtete, wirkte er zehn Jahre jünger. Er war groß und gab, wenn er wollte, eine imposanteErscheinung ab. Außerdem war er fast immer perfekt gestylt und trug teure Anzüge.
»Na, haben wir uns mit der Presse angefreundet?«, fragte Aylesbury und zeigte auf die Zeitung in Jessicas Hand, die sie eigentlich schnell hatte weglegen wollen.
Er zitierte sie zu einer Besprechung mit Cole und der Leiterin der Pressestelle. Jessica erzählte ihnen, dass sie Samstagnachmittag mit Garry Ashford gesprochen hatte, aber nur weil er sie angerufen hatte. Sie beteuerte auch, dass sie ihm keine Einzelheiten mitgeteilt habe und nicht wisse, woher die Zeitung all die Informationen hatte. Sie wies aber auch darauf hin, dass sich am Tatort sehr viele Leute aufgehalten hatten.
Sie war sich ziemlich sicher, dass Cole ihr glaubte, aber aus Aylesbury schlau zu werden, war nicht so einfach. Die Pressesprecherin kaufte es ihr jedenfalls nicht ab. Während der ganzen Besprechung starrte die Frau sie giftig an, aber da alle anderen Anwesenden einen höheren Dienstgrad hatten als sie, konnte sie nicht mehr tun, um ihrer Empörung Ausdruck zu verleihen. Der DCI stieg in Jessicas Ansehen, als er trotz der Einwände der Pressesprecherin verkündete, er würde der internen Ermittlungsbehörde mitteilen, dass sie sich nicht einzuschalten brauche.
Die Behörde konnte auch ohne Zustimmung des DCI Ermittlungen einleiten, aber da die an die Öffentlichkeit gelangten Informationen die Ermittlungen im Fall selbst nicht beeinträchtigten und er ihr, zumindest vorerst, den Rücken stärkte, würde es wohl nicht dazu kommen.
Direkt anschließend hatte sie die nächste Besprechung mit Aylesbury und Cole, mit der
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