Eingesperrt - Jessica Daniel ermittelt (German Edition)
festen Schlaf ihre Freundin hatte. Sollte es irgendwann über Nacht eine Invasion von Außerirdischen geben, würde Caroline nach acht Stunden Tiefschlaf aufwachen und sich wundern, was das kleine, graue Männchen mit der Analsonde von ihr wollte.
Caroline lachte. »Wenn ich mich zwischen meiner überirdischen Gabe, mich von nichts wecken zu lassen, und deiner, allen möglichen Mist zu essen, ohne zuzunehmen, entscheiden müsste, dann wäre mir deine lieber.«
Caroline hatte recht. Sie verdrückte mit Leichtigkeit jeden Samstagmorgen ein warmes Frühstück mit Eiern und Speck und immer wieder Currygerichte. Sie hatte nie Gewichtsprobleme gehabt, auch als Kind nicht. Und jetzt, wo sie die gefürchtete Dreißig überschritten hatte, nahm sie sich zwar ständig vor, sich endlich vernünftig zu ernähren, kam aber irgendwie nicht dazu.
»Nun, ich weiß auch nicht, warum ich schon auf bin«, sagte Caroline. »Ich hatte, glaube ich, einfach Lust, etwas zu unternehmen.«
»Du wirst doch nicht plötzlich zum Morgenmenschen, oder?«
»Hoffentlich nicht. Ich
hasse
Morgenmenschen.«
Caroline Morrison war Jessicas älteste und beste Freundin. Sie war schlank, hatte einen von Natur aus dunklen Teint, langes, braunes Haar und braune Augen. Wenn Jessica ehrlich war, war sie schon immer ein bisschen neidisch auf das Aussehen ihrer Freundin gewesen, vor allem auf ihre Augen. Caroline war einfach hübsch, ganz gleichgültig, ob sie sich Mühe mit ihrem Äußeren gab oder nicht. Ein paar Jahre früher, als sie noch mehr Zeit hatten, zusammen auszugehen, hatte Jessica immer das Bedürfnis gehabt, sich stärker zu schminken und sich mehr Zeit für ihre Frisur zu nehmen, weil sie nicht als die »hässliche Freundin« dastehen wollte. Sie fühlte sich eigentlich gar nicht unattraktiv, aber neben Caroline würde sie wahrscheinlich immer nur zweite Wahl sein.
Früher war Jessica oft frustriert, weil sie häufig so blass aussah und ihre Augen eine undefinierbare Farbe hatten. An manchen Tagen wirkten sie grün, an anderen braun oder grau. Mittlerweile machte sie sich wegen so etwas keine Gedanken mehr. Der Angriff auf Harry und sein anschließender Abstieg hatten sie überraschend schnell zu einer erwachsenen Frau heranreifen lassen.
Caroline deutete mit dem Kinn auf den Toast in Jessicas Hand. »Ist noch Brot da?«
»Ja, aber du musst zuerst den Schimmel abschneiden.«
»Bäh! Ach, ist das …?«
Caroline meinte das große Foto auf der Titelseite oberhalb des Berichts über den Mord. Jessica schlug die Zeitung zu und sah das Foto finster an. »Ja, Peter Hunt.«
»Ist der Kerl auf der Titelseite, weil der Prozess morgen anfängt?«
»Ich habe versucht, den Artikel zu ignorieren, aber wahrscheinlich ja.«
Als Tom Carpenter beschlossen hatte, sich zu stellen, war er nicht direkt zur Polizei gegangen, sondern hatte sich an einen besonders finsteren Zeitgenossen gewandt, nämlich besagten Peter Hunt. Rechtsanwälte waren grundsätzlich nicht sehr beliebt bei der Polizei, aber Hunt war die personifizierte Geißel der Polizei von Greater Manchester.
Er nahm mit Freude jeden Fall an, der spektakulär genug war, um sein Gesicht in die Zeitung oder ins Fernsehen zu bekommen. Auch wenn es zwischen ihren Kollegen so einige Meinungsverschiedenheiten gab, in einem waren sich alle einig: Hunt war mindestens ebenso verachtenswert wie die Leute, die er verteidigte.
Sein erstes Vergehen war natürlich, sich den Beruf des Anwalts auszusuchen. Dazu kamen noch seine sorgsam hochgebürsteten blonden Haare, geradezu kriminell. Dass er aus Cambridge stammte und mit südenglischem Akzent sprach, machte die Sache auch nicht besser. Aber dass er alle möglichen Gewalttäter und andere gemeine Verbrecher verteidigte, schlug dem Fass den Boden aus.
Der gefährlichste Gegenspieler der Polizei war kein Drogendealer, kein Gangster oder sonst irgendein Taugenichts. Es warPeter Hunt. Sogar dem Chief Inspector, der selbst wegen seiner Blasiertheit und seiner Vorliebe für Formulare bei den meisten Polizeibeamten äußerst unbeliebt war, war der Anwalt verhasst. Es ging das Gerücht um, dass der Chief höchstpersönlich regelmäßig die Steuerplakette an Hunts zweihundertfünfzigtausend Pfund teurem Bentley überprüfte – in der Hoffnung, sie könnte abgelaufen sein.
»Ich habe ihn letzte Woche im Fernsehen gesehen«, sagte Caroline. »Auf einem Nachrichtensender. Er hat ein Buch vorgestellt, das er geschrieben hat.«
»Der Mann taucht ständig irgendwo
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