Eingesperrt - Jessica Daniel ermittelt (German Edition)
mir auch ein bisschen sanfter beibringen können.«
»Äh, ’tschuldigung. Wollen Sie auch die guten Neuigkeiten hören?«
»Bitte …«
»Wir haben einen Anruf vom Krankenhaus bekommen. Sie können jetzt zu Sandra Prince.«
V IERZEHN
Jessica ging zurück in ihr Büro, um sich ein paar Notizen zu machen, bevor sie zum Krankenhaus fuhr. Reynolds saß an seinem Schreibtisch ihr gegenüber. Es war deutlich zu sehen, dass zwei sehr unterschiedliche Leute in diesem Büro arbeiteten. Auf Reynolds Seite zur Tür hin war alles sauber gestapelt oder in Ordnern abgelegt. Jessicas Schreibtisch quoll von Dokumenten, Notizen und Akten nur so über, und weitere Papiere stapelten sich um den Papierkorb und unter ihrem Stuhl.
Kurz nachdem sie das gemeinsame Büro bezogen hatten, hatte Reynolds sie gefragt, warum sie eigentlich so unordentlich war.
»Für ungeübte Augen sieht mein Ablagesystem vielleicht chaotisch aus, aber eine Organisationsexpertin wie ich findet darin Ebenen, von denen jemand wie du gar keine Vorstellung hat. Ich weiß
ganz
genau, wo alles ist«, hatte sie geantwortet.
Das stimmte sogar fast. Sie wusste so ungefähr, wo sich alles befand. »Ganz genau« war aber sicher übertrieben.
Obwohl er ursprünglich einen höheren Dienstgrad hatte als sie, hatte es wegen ihrer Beförderung nie böses Blut zwischen ihnen gegeben. Er hatte über die Erklärung ihres »Ablagesystems« gelacht und auch er brachte sie zum Lachen, als er erzählte, dass er wegen des Eintopfs aus der Kantine drei Tage hatte frei nehmen müssen. Sie hatten verschiedene Aufgabenbereiche und kamen schon deshalb gut miteinander aus.
Als sie ihre Informationen über Sandra Prince durchsah, klopfte Cole an und kam herein.
»Sie sind dran«, sagte er zu Reynolds.
»Wie war’s denn?«, fragte Reynolds.
»Ganz okay. Eigentlich haben sie nicht viel gefragt. Sie glauben anscheinend, dass es DS Daniel war.« Er nickte und zwinkerte ihr zu, als wollte er sagen, dass er ihr glaubte.
Reynolds bat sie, ihm Glück zu wünschen, und ging.
»Jetzt, wo Sie’s auch hinter sich haben, können wir ja Sandra Prince besuchen«, sagte Jessica. »Das Krankenhaus hat angerufen und gesagt, es sei in Ordnung.«
Sie wusste nicht, ob er überhaupt mitkommen wollte, dachte aber, es wäre besser, ihn zu fragen, anstatt einfach jemand anderen mitzunehmen.
Sie war ziemlich überrascht, als er antwortete: »Gut, fahren wir.«
Die Fahrt zum Krankenhaus zerrte an ihren Nerven. Die Stoßzeit war zwar schon vorbei, aber es war Freitag, und am Wochenende war der Verkehr immer unberechenbar. Außerdem machte sich die Sonne mal wieder rar. Graue Wolken zogen über die Stadt, während das Thermometer noch zwischen Winter und Frühling schwankte. Cole hatte einen Streifenwagen genommen und Jessica fand, dass sein Fahrstil zu seiner Persönlichkeit passte, konstant, geradlinig und risikofrei.
Ein Fahrer, der anscheinend den Streifenwagen hinter sich nicht bemerkt hatte, wechselte direkt vor ihnen die Fahrspur und schnitt sie. Hätte Jessica am Steuer gesessen, sie hätte ihn mit einer Tirade von »Kraftausdrücken« bedacht, wie Caroline das nannte, und ihn dann angehalten. Zumindest hätte sie ihm aufgebrummt, sich mit all seinen Papieren bei seiner örtlichen Polizeiwache zu melden. Aber Cole fuhr einfach weiter, als wäre nichts geschehen. Er hupte nicht einmal. Jessica fand seine Gelassenheit irgendwie befremdlich.
Die junge Rezeptionistin im Krankenhaus schien nicht so sicher, dass es mit ihrem Besuch alles seine Richtigkeit hatte. Siehämmerte auf ihre Computertastatur ein und sagte: »Hier steht nichts davon, dass Sie kommen.«
Sie zeigten zwar beide ihre Dienstausweise vor und Jessica setzte ihr vertrauenswürdigstes Polizistinnengesicht auf, aber es war zwecklos.
Schließlich rief die junge Frau eine Krankenschwester herbei, die sie begleitete. Sandra Prince hatte ein Einzelzimmer im dritten Stock, vor dem ein Polizist wachte. Die Schwester sagte, Sandras Arzt wolle mit ihnen reden, bevor sie zu ihr konnten, und brachte sie in ein Büro von der Größe eines Wandschranks abseits der Krankenstation.
Jessica mochte Krankenhäuser nicht sonderlich. Es lag nicht wie bei manchen Leuten an einem bestimmten traumatischen Erlebnis, sondern eher an ihren Einsätzen, als sie noch in Uniform arbeitete. Einmal war sie in genau dieses Krankenhaus gekommen, um mit einem Opfer häuslicher Gewalt zu reden. Es war ein junges Mädchen gewesen, dem sein Exfreund das Gesicht
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