Eingesperrt - Jessica Daniel ermittelt (German Edition)
zerschlagen hatte. Jessica musste zu Beweiszwecken Fotos von ihr machen. Immer, wenn sie in dieses Krankenhaus kam, musste sie an das zerschundene, blutunterlaufene, geschwollene Gesicht des Mädchens denken, das sich am Ende geweigert hatte, vor Gericht auszusagen.
Ein anderes Mal war es im Krankenhaus selbst zu einem tätlichen Angriff gekommen. Jemand war bei einem Umzug durch die Stadt hingefallen. Immer noch betrunken, hatte er im Wartezimmer angefangen, Ärger zu machen. Diesen Kerl zu verhaften hatte Jessica besonderes Vergnügen bereitetet. Und genau wegen solcher Vorfälle war sie nicht gerade erpicht auf Krankenhausbesuche.
Normalerweise wäre ihr dieser auch erspart geblieben, denn Vernehmungen wurden für gewöhnlich auf der Wache durchgeführt, weil es dort ein Tonbandgerät gab. Aber sie verdächtigten Sandra Prince nicht wirklich, und auf Anraten des Arztes beschlossen sie, sie im Krankenhaus zu vernehmen. Sie hatte ohnehin ein Alibi für den Tag, an dem der Mord geschehen war. Sie war den ganzen Tag auf der Arbeit gewesen. Natürlich hätte sie ihren Mann morgens umbringen können, bevor sie aus dem Haus ging. Aberwegen der Ähnlichkeiten zum vorigen Fall hielten sie das für sehr unwahrscheinlich. Sie hatten sich zuvor bei Aylesbury die Erlaubnis geholt, das Verhör im Krankenhaus durchzuführen.
Der Arzt berichtete, Sandra Prince habe einen Schock erlitten, als sie von der Ermordung ihres Mannes erfuhr, könne aber seit dem Vorabend wieder normal sprechen. Er sagte, sie habe die aktuelle Zeitung noch nicht zu Gesicht bekommen und auch keine Fernsehnachrichten gesehen, und fragte, ob sie ihr noch weitere Schocks zumuten würden. Außerdem wollte er wissen, ob sie unter Verdacht stand, denn in dem Fall müssten sie sie mit auf die Wache nehmen. Eigentlich hätten sie es ihm gar nicht sagen müssen, sie versicherten ihm jedoch, dass sie nicht verdächtigt wurde. Daraufhin brachte er sie in Sandras Privatzimmer.
Das Zimmer war nicht riesig, aber größer als die meisten Schlafzimmer und makellos sauber. Gegenüber der Tür standen zwei Betten, umgeben von ein paar medizinischen Geräten. Eine Frau saß aufrecht in einem der Betten und neben ihr auf einem Stuhl Jonathan Prince. Die Frau hatte angegraute, relativ kurze Locken und trug eine dunkel gerahmte Brille. Ihre Haut war fast so weiß wie die Bettwäsche, was die Falten in ihrem Gesicht besonders hervorhob. Ansonsten machte sie aber einen gesunden Eindruck. Sie wirkte sogar recht munter, als der Arzt sich nach ihrem Befinden erkundigte und ihren Blutdruck maß. Er sagte, er würde sie allein lassen, aber seine Patientin könne jederzeit den Notrufknopf am Bett drücken.
Während Jessica zwei Stühle ans Bett schob, sagte Cole: »Das hier ist Detective Sergeant Daniel und ich bin Detective Inspector Cole.« Er klärte sie über ihre Rechte auf und sagte, sie habe Anspruch auf einen Rechtsbeistand, der ihr auf der Polizeiwache kostenlos zur Verfügung gestellt werden könne.
Sandra richtete sich weiter auf. Sie sah Jonathan an, dann wieder die beiden Beamten, und sagte: »Schon gut. Ich will nur wissen, wer es war.«
Jessica sagte: »Jonathan, Sie müssen leider das Zimmer verlassen.«
Es sah aus, als wollte er seine Mutter nicht allein lassen, aber die sagte: »Schon in Ordnung.«
Als er die Tür hinter sich geschlossen hatte, begann Jessica mit der Vernehmung: »Können Sie mir schildern, was an dem Tag, an dem Ihr Mann umgebracht wurde, passiert ist, Mrs Prince?«
Sandra räusperte sich. »Ich stehe immer mit Jonathan auf. Er muss früh raus, und auch wenn er schon erwachsen ist, ist es doch schöner für ihn, morgens jemanden um sich zu haben. Nachdem er gegangen war, habe ich ein bisschen Toast gegessen und ferngesehen und bin dann auch zur Arbeit gegangen.«
»Haben Sie an besagtem Morgen Ihren Mann gesehen?«
»Nur kurz. Ich habe ihm einen Abschiedskuss gegeben, wie immer. Aber er war noch im Bett und hat sich im Halbschlaf von mir verabschiedet.«
»Um wie viel Uhr haben Sie das Haus verlassen?«
»Wie immer genau um fünf vor halb neun.«
»Haben Sie im Lauf des Tages in irgendeiner Weise Kontakt mit Ihrem Mann gehabt? Mit ihm telefoniert? Ihm eine SMS geschickt?«
Sandra nahm ihre Brille ab und lachte kurz. »Martin und SMS … Er hatte zwar ein Handy, konnte aber nicht richtig damit umgehen. Er wusste, wie man telefoniert, aber mit SMS kannte er sich nicht aus. Ich habe ihn nicht angerufen, nein.«
Sie hatte Tränen in den
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