Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition)

Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition)

Titel: Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef H. Reichholf
Vom Netzwerk:
Frage, der wesentliche Eigenschaften der Schwäne in sich vereinigt und solche Töne erzeugen könnte? Die Legende vom Schwanengesang bietet dazu noch weitere Details. Er fand am Ufer des Eridanos statt. Phaeton, der Lenker des Himmelswagens, kommt darin vor und ein König namens Kyknos (!). Von Bernstein und Pappeln ist die Rede und vom Untergang der Sonne. Während die Griechen Herodot und Strabon nichts Genaueres über diesen Fluss wussten und ihn für mythisch hielten, verlegte ihn der Römer Vergil kurz vor der Zeitenwende in die Unterwelt. Vergil kannte die alte Deutung des lombardischen Flusses Po als Eridanos, da dieser aus griechischer Sicht »im Westen« fließt, ins Meer mündet, allerdings in ein unpassend kleines Nebenmeer, die Adria, aber weithin von Pappeln gesäumt wurde. Dennoch hielt Vergil offensichtlich nichts davon, den Po mit dem Eridanos der griechischen Mythologie zu identifizieren. Ein Bächlein bei Athen, das Eridanos genannt wurde und am Lykabettos-Hügel entspringt, eignet sich wegen seiner Kleinheit nicht sonderlich gut als Vorbild für einen so wichtigen mythischen Fluss. Der Eridanos von Athen war schon in der Antike begradigt und teilweise unterirdisch geführt worden. Er durchfloss in diesem Zustand den alten ›Stadtplatz‹, die Agora Athens, und das Töpferviertel Kerameikos. Wahrscheinlich erhielt der Bach seinen Namen wegen der teilweise unterirdischen Führung seines Laufes, als es den Eridanos-Mythos schon lange gab. Deshalb bezogen sich Herodot und Strabon nicht auf ihn. Der Po und noch weiter westlich, die Rhône, die ins Tyrrhenische Meer mündet, wurden favorisiert, nachdem die Griechen genauere Kenntnis des Mittelmeeres erworben und ihre Kolonisation bis in den fernen Westen, bis Iberien, ausgedehnt hatten.
    Denn der Mythologie zufolge war Eridanos ein großer Fluss im fernen Westen, aber auch ein Flussgott. Gezeugt hatten diesen der Titan Okeanos, Herrscher über das große Ionische Meer, und seine Schwester Tethys. Bei näherer Betrachtung des mit dem ›Schwan‹ Kyknos zusammenhängenden Geschehens kommt nun höchst Turbulentes zutage. Phaeton, der Strahlende, war Hesiod zufolge Sohn von Eos, der Göttin der Morgenröte und Schwester des Sonnengottes Helios. Seit Euripides gilt Phaeton jedoch als dessen direkter Sohn. Seine Mutter war Klymene. Von dieser Deutung ging auch Platon im Timaios aus. Ausführlich schilderte aber der griechische Dichter Hesiod das Geschehen. Als Phaeton heranwuchs und gedieh, bezweifelte Epaphus (= der durch ›Berührung‹ seiner Mutter Io durch Zeus gezeugte!) seine göttliche Abstammung. Epaphus war zwar auf der griechischen Insel Euböa geboren worden, aber unter dem Namen Apis regierender König in Ägypten. Klymene bestand auf der göttlichen Abkunft ihres Sohnes und schickte ihn zum Vater Helios. Phaeton suchte ihn in dessen Sonnenpalast auf und wurde von Helios auch als Sohn anerkannt. Dabei schwor er, ihm einen Wunsch zu erfüllen. Phaeton bat darum, den Sonnenwagen einen Tag lang fahren zu dürfen. Vergeblich sträubte sich Helios dagegen, hatte er doch dem Sohn die Einhaltung seines Versprechens zugesichert. Mit Beginn der Morgenröte bestieg Phaeton den großartigen Sonnenwagen des Vaters, ein Vierergespann, und raste los. Als sich der Tag neigte, verlor er vollends die Kontrolle über das himmlische Fahrzeug. Phaeton, der die übliche Fahrstrecke verlassen hatte, stürzte mit dem Sonnenwagen ab. Was nun geschah, schilderte Ovid etwa folgendermaßen: »Die Erde geht in Flammen auf, die höchsten Gipfel zuerst, tiefe Risse springen auf, und alle Feuchtigkeit versiegt. Die Wiesen brennen zu weißer Asche; die Bäume werden mitsamt ihren Blättern versengt, und das reife Korn nährt selbst die es verzehrende Flamme … Große Städte gehen mitsamt ihren Mauern unter, und die ungeheure Feuersbrunst verwandelt ganze Völker zu Asche.« Gaia, die Erdmutter, bittet bei der sich ausbreitenden Katastrophe Zeus um Hilfe. Dieser zerschmettert mit einem Blitz den brennenden Sonnenwagen. Der Blitz schleudert Phaeton in den Fluss Eridanos. Seine Schwestern finden sich am Ufer ein und beweinen den Bruder. Ihre Tränen werden zu Bernstein, sie selbst aber in Pappeln verwandelt. Das Klagen ruft König Kyknos (bei Ovid lateinisch Cygnus ) herbei. Er ist untröstlich, war er doch der Geliebte des (homosexuellen) Sonnensohnes gewesen. Apoll, von Kyknos’ Trauer gerührt, verwandelt ihn in den Schwan, der zum himmlischen Sternbild wird. Ovid

Weitere Kostenlose Bücher