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Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition)

Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition)

Titel: Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef H. Reichholf
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zufolge steht auf dem Erinnerungsstein an Phaeton: »Hier ruht Phaeton, der Lenker des väterlichen Wagens. Er konnte ihn nicht steuern, aber er starb als einer, der Großes gewagt hatte.«
    Nach dem Absturz des Sonnenwagens stiegen anhaltend giftige Dämpfe aus dem Wasser auf. Kein Vogel konnte die Stelle überfliegen, ohne tot vom Himmel zu fallen. Inmitten des Sees ging er in Flammen auf. Eridanos wurde aber auch zu einem Sternbild. Was Ovid so dichterisch dramatisch geschildert hat, stimmt sehr gut mit der größten Vulkankatastrophe der Antike, dem Ausbruch des Thera etwa 1600 v.Chr. überein. Es wird angenommen, dass dieser Ausbruch, wenn nicht der Hauptauslöser, so doch eine mitentscheidende Ursache für den Zusammenbruch der minoischen Kultur auf Kreta gewesen war. Die Insel Santorin und die sie umgebenden kleinen Inseln blieben als Rest des ursprünglichen Thera übrig. Der Großexplosion folgten weitere, bei denen sich unter dem Meeresspiegel ein neuer Vulkan aufbaute. Giftige Dämpfe, extreme Hitze über dem Krater und gewaltige Aschemassen, die über Hunderte von Kilometern in der Ägäis ausgeschüttet wurden, stimmen mit Ovids Schilderung bestens überein. Wenn die Minoische Kultur bei diesem Ausbruch tatsächlich (weitgehend) vernichtet wurde, ist auch verständlich, dass Ovid die Auswirkungen auf ganze Völker betont. Das Gleichnis vom abgestürzten Sonnenwagen drückt das vulkanische Feuer aus, während sich die Blitze des Zeus auf die Gewitter beziehen, die sich in der Atmosphäre darüber zusammengezogen hatten und scheinbar danach den Weltenbrand löschten. Der Kameni-Vulkan, das ›Kind des Ausbruchs‹, gehört auch gegenwärtig noch zu den aktivsten Vulkanen im östlichen Mittelmeergebiet.
    Die Erhebung zum Sternbild steht beim Schwan also in engster Verbindung mit einer der gewaltigsten Vulkankatastrophen der Antiken Welt. Sie hatte im Ausmaß der Auswirkungen bei weitem den Ausbruch des Vesuvs am 24. August des Jahres 79 n.Chr. übertroffen, bei dem Pompeji, Herculaneum und mehrere kleinere Orte an seinem Fuß vernichtet worden waren. In den letzten 10000 Jahren gab es global lediglich fünf Ausbrüche in der Größenordnung der Thera-Explosion. Alle fanden fern von Europa statt: auf Kamtschatka (vor 7700 Jahren), in Oregon (vor knapp 7000 Jahren), auf der Insel Kiuschu in Südjapan (Kikai-Vulkan, um 4350 v.Chr.), in Neuseeland (Taupo-Eruption um 180 n.Chr.). – Zuletzt der gigantische Ausbruch des Tambora 1815 auf der Insel Sumbawa in Indonesien, der auf der Nordhemisphäre der Erde mit seinen Aschemassen, die hoch in die Atmosphäre geschleudert worden waren, das ›Jahr ohne Sommer‹ zur Folge hatte. Für den Ausbruch des Thera wird eine ausgeworfene Aschemenge (Tephra) von 30 bis 70 Kubikkilometer angenommen. Der Tambora schleuderte ähnlich wie der japanische Kikai die doppelte bis dreifache Menge in die Atmosphäre. Der Vesuv ist unter diesen Giganten nicht vertreten. Die Nachwirkungen seines Ausbruchs 79 n.Chr. blieben auf einen vergleichsweise kleinen Raum beschränkt. Thera hingegen ging in die Legendenbildung im ganzen östlichen Mittelmeerraum ein. Der Feuerschein seiner Eruption schuf in für die geschockten Menschen nachvollziehbarer Weise den Mythos des fehlgelenkten, auf die Erde abgestürzten Sonnenwagens.
    Damit ist auch klar, warum der Eridanos nicht zu lokalisieren war. Apollonios von Rhodos, dessen namensgebende Heimatinsel Rhodos zwar ein gutes Stück weiter als Kreta von Thera entfernt liegt, aber noch nahe genug, um Auswirkungen abbekommen zu haben, konnte nicht klären, ob der Eridanos ein Fluss, ein See oder ein Meeresarm war. Apollonios war wahrscheinlich im ägyptischen Alexandria am Nildelta geboren worden und leitete dort zwischen 270 und 245 v.Chr. die berühmte Bibliothek. Eine bessere Quelle für die alten Texte konnte es gar nicht geben. Wo der geheimnisvolle »Fluss zum Totenreich« fließt, konnte er nicht angeben. Die Bernsteine, die dort gefunden wurden, hielt man für die Tränen Apolls, die er in der Verbannung vom Olymp vergossen hatte. Wer mehr wusste, verwies auf das in der Antike sagenumwobene Volk der Hyperboräer. Von dort, von ihnen oder über sie, gelangte der Bernstein, Elektron genannt, ins antike Griechenland. Und bei ihnen treffen wir nun auf den wohl besten Kandidaten für den Eridanos, den großen Fluss im Westen, der ins Totenreich mündet: die Donau. Aus der Sicht der Alten Griechen, die zwar den Pontus Euxinus, das

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