Einige sterben schneller! (German Edition)
es auf jeden Fall sein. Einreisen konnte ich dort mit meinem gestohlenen Wagen natürlich nicht und Papiere brauchte ich auch.
Keine leichte Aufgabe, die ich zu lösen hatte.
Während ich den letzten Schluck aus meinem Bierglas nahm und mich im Restaurant etwas umsah, kam mir beim Anblick eines Modellsegelschiffes, welches mit anderen skurrilen Gegenständen das Restaurant verschönern sollte, die rettende Idee. Ein Frachtschiff, auf dem ich anheuern konnte, fuhr in ferne Länder und beförderte mich kostenlos an mein Reiseziel. Ich wollte meine Beute nicht gleich mit den Reisekosten durchbringen und so konnte ich das Notwendige mit dem Nützlichen verbinden. Die Heuer war zwar bestimmt nicht hoch, aber es gab Nahrung und Unterkunft gratis dazu. Außerdem war ich mir sicher, dass man mir dort keine unangenehmen Fragen stellen würde. Ich hatte zwar von der Seefahrt keine Ahnung, aber eine Stelle als Hilfsmaschinist oder Handlanger sollte doch zu bekommen sein. Spontan fielen mir Hamburg und Rotterdam als Häfen ein, wo große Schiffe regelmäßig ablegten. Da Hamburg in Deutschland lag und ich dort vielleicht eher aufgefallen wäre, entschied ich mich für Rotterdam. Ich vermutete, dass die Fahrt von Würzburg nach Rotterdam genauso lange wie nach Hamburg dauern würde.
Als die Kellnerin kam, zahlte ich und machte mich dann auf den Weg. Ich wählte die Autobahn A3 Richtung Frankfurt/Köln. Abends wurde der Verkehr ruhiger und ich kam gut voran. Im Radio spielten Sie gerade die Top 10 und ich drehte das alte Gerät voll auf. Yeah, so fühlte sich die Freiheit an!
Etwas später dachte ich das erste Mal seit Wochen an mein früheres Leben vor der Verhaftung. Eigentlich hatte ich alles gehabt was man sich wünschen konnte. Einen prima Job der mir Spaß machte, ein nettes Zuhause, eine hübsche Ehefrau - auch wenn diese mich betrog - und die Freiheit überall hinzugehen, ohne die Angst zu haben erneut verhaftet zu werden. Das war noch nicht einmal ein halbes Jahr her. Heute war ich froh aus dem Hochsicherheitsgefängnis geflohen zu sein, in einem geklauten, abgefuckten Campingbus zu sitzen, um in Rotterdam auf irgendeinem beschissenen Seelenverkäufer anzuheuern und wenn alles gut ging irgendwann und irgendwo ein neues, bescheidenes Leben in einem fremden, fernen Land beginnen zu können.
Ich schwelgte gerade so in meinen Überlegungen und bemerkte dabei nicht, dass mir meine Augen immer schwerer wurden. Es war jetzt schon fast halb elf Uhr nachts und die Ereignisse des Tages hatten mich ganz schön mitgenommen. Draußen hatte wieder leichter Schneefall eingesetzt und die Sicht wurde entsprechend schlechter. Ich beschloss noch ein paar Kilometer zu fahren und dann an einem Parkplatz auf der Autobahn zu übernachten. Um gegen meine Müdigkeit anzukämpfen, dachte ich an die bevorstehende Schiffsreise.
Plötzlich schreckte ich auf und bemerkte, dass sich vor mir ein Unfall auf der glatten Fahrbahn ereignet hatte. Leider zu spät, denn ich war wohl in einen Sekundenschlaf gefallen und konnte nun nicht mehr rechtzeitig reagieren. Das Blaulicht des Polizeiwagens und die gelben Warnblinkleuchten der anderen Autos hatten mich wohl aufgeweckt. Sofort als ich die Situation registriert hatte, trat ich voll auf die Bremse, konnte jedoch einen Aufprall auf den letzten Wagen nicht mehr vermeiden. Mit einem satten Schlag traf der Bus den davor stehenden Ford Mondeo, der ebenfalls in den Unfall verwickelt war. Zum Glück hatten die Insassen schon das Fahrzeug verlassen, so dass es außer mir keine weiteren Verletzten gab.
Die Windschutzscheibe im Bus hatte es zerrissen und das Lenkrad drückte sich in meine Rippen. Dennoch gelang es mir mich aus dem Auto durch die hintere Schiebetür zu befreien. Ich schnappte mir beim Aussteigen meine Jacke mit der Beute, sprang über die Leitplanke und rannte so schnell es meine Verletzung zuließ auf das nahe gelegene Waldstück zu. Das alles passierte völlig instinktiv, ohne dass ich mir darüber irgendwelche Gedanken gemacht hatte. Zumindest nicht bewusst, denn ich hatte vorher das Blaulicht und den Polizeiwagen registriert und mir war klar, dass ich hier nicht bleiben konnte. Kurz bevor ich das Waldstück erreicht hatte, hörte ich eine laute Männerstimme rufen: ‘Halt Polizei, bleiben Sie stehen!’. Offenbar hatten auch die umstehenden Personen jetzt die Lage begriffen. Unbeirrt rannte ich weiter, ohne mich umzudrehen. Kurz darauf hörte ich nochmals Warnrufe und dann einen Schuss.
Weitere Kostenlose Bücher