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Einkehr zum toedlichen Frieden

Einkehr zum toedlichen Frieden

Titel: Einkehr zum toedlichen Frieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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werden gemacht, und niemand äußert
irgendeinen Verdacht. Ich erfahre, dass sich Hein und Jupp vor zwei Jahren auf
einer Kölner Veranstaltung kennengelernt haben und seitdem ein heimliches Paar
sind.
    »Schon seltsam, ausgerechnet im Kölner Schwulenmilieu einen Nachbarn
aus der alten Heimat zu treffen«, meint Hein. »Wenn ich hier irgendeine
vernünftige Arbeit finden würde, käme ich ja glatt zurück.«
    »Warum bist du denn nicht zu Hein nach Köln gezogen?«, frage ich
Jupp. »Da könntet ihr euch diese Geheimnistuerei doch ersparen!«
    Er wechselt einen Blick mit seinem Freund. Der nickt. »Zeig’s ihr
ruhig«, fordert er Jupp auf.
    »Was?«, will ich wissen.
    »Den Grund, weshalb Jupp von hier nicht weg kann.«
    Neugierig folge ich dem großen Blonden in den Flur, steige hinter
ihm eine ähnlich steile Holztreppe wie im Haus meines Bruders hinauf und ziehe
den Kopf ein, als ich im Obergeschoss eine kleine Kammer betrete.
    »Mutter«, sagt Jupp, »ich möchte dir meine Freundin Katja
vorstellen.«
    Ich muss zweimal hinsehen, ehe ich das winzige Häuflein Mensch in
dem schmalen Bett überhaupt entdecke. Zitternd streckt es mir eine zerbrechliche
Kinderhand entgegen.
    »Katja«, wiederholt die uralte Frau mit erstaunlich kräftiger
Stimme. »Ein hübscher Name. Bist du aus der Eifel?«
    »Von der Anna Klein aus Halzech dat Mädchen«, antwortet Jupp.
    »Die Kleins vom Laden?«
    »Ja.«
    »Dat ist jut. Wirst genug zum Essen haben, mein Jung. Dat ist jut.
Konserven. Ganz wichtig. Werden nicht so süß wie die Kartoffeln im Winter.
Musst dann nicht im jefrorenen Boden graben. Dat ist jut. Die Kleins aus
Halzech. Die von Hamburg. Jute Leute. Haben’s hier nicht leicht. Vor allem der
Mann nicht. Jetzt schon gar nicht. Der Adolf Mertes soll sich was schämen. Dat
tut man nicht. Hoffentlich jeht dat alles jut. Damit dat Katja später noch was
hat. Pass auf dat Mädchen auf, mein Jung.«
    Sie hält immer noch meine Hand fest. Ich streiche der alten Frau
eine weiße Haarsträhne aus der Stirn und mühe mich, meine Tränen
zurückzuhalten, als ich sie frage: »Welche Konserve darf ich Ihnen denn mal
mitbringen?«
    Das Leuchten in ihrem Gesicht erinnert an die sonnenüberflutete
Landschaft, durch die wir vorhin gegangen sind. Mit ihren Furchen, Kerben und
schattigen Flecken.
    »Mandarinenscheiben«, erklärt sie bestimmt. »Davon träume ich schon
lange.«
    »Du hättest es mir nur zu sagen brauchen, Mutter«, sagt Jupp.
    Sie lässt meine Hand los und fahndet nach den Pranken ihres Sohnes.
    »Du tust schon so viel für mich, mein Junge. Und arbeitest so
schwer. Kauf lieber was für dich. Die Katja von den Kleins aus Halzech, die
nimmt die Dose einfach aus dem Regal. Dat is jut.«
    Sie schließt die Augen und schläft augenblicklich ein.
    Wir schleichen aus dem Zimmer.
    »Danke«, sagt Jupp. »Ich krieg nie aus ihr heraus, was sie wirklich
will. Sie hat immer Angst, mir zur Last zu fallen.«
    Am unteren Treppenabsatz sieht er mich betroffen an.
    »Komm mal mit.«
    Er führt mich in eine hochmodern eingerichtete Küche.
    »Wow«, sage ich beeindruckt, fahre mit der Hand über die saubere
Edelstahlanrichte und nicke zur Kochinsel hin. »Hier könnte ich leben.«
    »Hein und ich kochen gern«, erwidert er, öffnet eine Schranktür und
zieht eine Dose mit Mandarinen heraus.
    »Ist eigentlich eine Notreserve. Und war die ganze Zeit hier.«
    »Während sie davon geträumt hat.«
    Wir kehren ins Wohnzimmer zurück.
    »Meine Mutter ist mit Katja einverstanden«, sagt Jupp. »Wir können
sofort heiraten.«
    »Meinen Segen habt ihr«, erwidert Hein ungerührt, »solange ich die
Herrschaft über die Küche behalte.«
    »Oh nein!«, melde ich mich zu Wort, »nur über meine Leiche.«
    Eine peinliche Stille entsteht.
    »Darüber«, murmelt Hein, »wollten wir nun gerade nicht reden.«
    Auf einmal ist alles wieder da. Die ganze Schwere der Gegenwart. Ich
ziehe mein Handy hervor. Keine Nachricht von Marcel Langer. Im Fall meines
Bruders müssen die Rechtsmediziner doch inzwischen längst fündig geworden sein. Der Adolf Mertes soll sich was schämen. Dat tut man nicht. Was kann die alte Frau damit gemeint haben? In welcher Beziehung stand Alf
Mertes zu meinen Großeltern? So schlecht kann die nicht gewesen sein, da Fine
doch meine Großmutter bis zu ihrem Tod gepflegt hat. Hoffentlich
jeht dat alles jut. Ich sollte herausfinden, in welcher Zeit Jupps
Mutter lebt. Weshalb meine Großeltern so verschuldet waren, ob Alf etwas damit
zu

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