Einkehr zum toedlichen Frieden
gesucht haben?«, frage ich Gudrun beim
Mittagessen. Ich hatte das Angebot angenommen, bei ihr zu nächtigen, und
bedanke mich jetzt mit einer speziellen Mahlzeit für das Exil in
Rheinland-Pfalz.
Unter Hackfleisch habe ich Minze und Lebkuchenteig gemischt, damit
Birnen gefüllt und sie in den Ofen geschoben. Als zweiten Gang gibt es zu Pasta
in Öl ausgebackene Auberginenscheiben, die ich mit einer Mandel-Rosinenmasse
belegt und mit kleinen Entenbruststückchen gekrönt habe.
Auf den Kauf frischen Brotes an der Cafétheke hatte ich verzichtet,
als ich durch die Glastür des Old Smuggler Marcel
Langer vor seinem Frühstück sitzen sah.
»Keine Ahnung«, erwidert Gudrun. Sie wischt ihren Teller mit Brot
sauber und erklärt: »Unglaublich, aber wahr: Diese Ekelmischung hat super
geschmeckt. Hätte ich Geld, würde ich dich glatt als Köchin einstellen.«
»Danke«, sage ich kurz, ohne jegliche Bereitschaft, mich ablenken zu
lassen. Nicht einmal durch ein zweifelhaftes Kompliment über meine
kulinarischen Fähigkeiten. »In meinem Haus gibt oder gab es etwas, das jemand
dringend haben möchte.«
»Meinst du denn, er hat es gefunden?«, fragt Gudrun.
Ich zucke mit den Schultern. »Es muss etwas sein, das mit der Arbeit
meines Bruders zusammenhängt. Warum sonst hätte der Einbrecher nur das
Arbeitszimmer verwüstet?«
Weder ich noch die belgische Polizei haben in den anderen Zimmern
eine Spur des Einbrechers gefunden. Er hat sogar meine Handtasche auf der
Flurkommode unberührt gelassen, dafür aber im fensterlosen Arbeitszimmer ein
heilloses Durcheinander angerichtet, sämtliche Schubladen herausgerissen, alle
Bücher aus den Regalen gefegt und zwei der schrägen Holzgerüste sogar
umgeworfen.
»Ich dachte, die Polizei hat nach dem Mord an Gerd alles Wichtige
aus dem Arbeitszimmer mitgenommen?«, fragt Gudrun zurück.
»Vielleicht erschien dieser Gegenstand den Ermittlern ganz
nebensächlich«, mutmaße ich. »Wie der angebliche Kälbchenzettel, den Alf in
meinem Haus gesucht hat – und Fine offensichtlich auch. Deshalb hat sie ja die
Hosen mitgenommen. Obwohl ich bis jetzt nicht verstehe, weshalb sie mich da
angelogen hat.«
»Was für ein Kälbchenzettel?«
Ich berichte ihr von meiner letzten Begegnung mit Alf in meinem
Haus. Gudrun schüttelt den Kopf.
»Das ist doch völliger Quatsch!«, ruft sie.
»Man muss die Geburt von Kälbchen nicht melden?«, frage ich verunsichert.
»Doch, wenn man sie verkaufen will, muss man das bis sieben Tage
nach der Geburt beim HIT
angeben, dem Herkunftssicherungs- und Informationssystem für Tiere. Sonst setzt
es tatsächlich Strafen. Aber weil das übers Internet läuft, hatte der Alf damit
gar nichts zu schaffen. Der hatte doch nicht mal einen Computer! Das war meine
Aufgabe, und außerdem ist letzte Woche überhaupt kein Kälbchen geboren worden.«
»Eine Ausrede, also«, stelle ich nickend fest, »war mir eigentlich
auch schon klar. Und jetzt ist Alf tot. Sieht doch ganz so aus, als ob das was
mit einem verkrumpelten Zettel zu tun hat! Zwei Menschen, die im Besitz dieses
Papiers waren, sind auf die gleiche Weise erschlagen worden. Zufall ist das
bestimmt nicht.«
»Und mein Vater?«, fragt Gudrun. »Die Polizei geht bei ihm jetzt
auch von einem Mord aus. Vor dem Sturz ins Wasser muss jemand auf ihn
eingeschlagen haben. Aber mein Vater hat nie von einem Zettel gesprochen, und
soweit ich weiß, ist bei ihm auch keiner gefunden worden.«
Das ist die Krux mit allen meinen Mordtheorien: Jedesmal, wenn ich
eine klare Verbindungslinie zwischen zwei Fällen finde, will sich der dritte
nicht hineinfügen.
»Bei Alf war der Zettel offensichtlich auch nicht«, sage ich. »Sonst
hätte die Mordkommission doch etwas unternommen, uns befragt oder so. Wir
müssen unbedingt mit Fine reden.«
»Jetzt?«, fragt Gudrun zweifelnd. »In ihrem Zustand? Sie ist immer
noch so was von hysterisch. Was ist mit dem Marcel? Hast du ihm von dem Zettel
erzählt?«
»Das hielt ich damals nicht für wichtig«, erwidere ich ausweichend.
»Außerdem ist er nicht für die Aufklärung von Gewaltverbrechen zuständig.«
»Aber natürlich ist er das!«, versetzt Gudrun. »Er ist doch in die
deutsch-belgische SOKO
berufen worden, die heute gebildet wird. Weil er die Gegend und uns alle am
besten kennt. Das hat er mir vorhin erzählt.«
Ich schrecke zusammen. »Er war hier?«
»Nein, er hat angerufen, als ich aus dem Stall kam. Aber du hast
noch geschlafen, und da wollte ich dich nicht
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