Einklang der Herzen
wurde bewusst, wie schwach sie war, wie zerbrechlich. Seine Kraft überwältigte sie; fast glaubte sie, ohnmächtig zu werden. Sie nahm nichts mehr wahr außer seinem muskulösen Körper und seinem fordernden Mund und seinem leidenschaftlichen Kuss.
Dann hob Travis den Kopf und hielt sie an den Schultern fest, als sie taumelte. Nachdenklich musterte er ihr gerötetes Gesicht. »Wissen Sie, Dee«, sagte er schließlich mit ruhiger und unbeirrter Stimme. »Sie sind eigentlich viel zu klein für dieses gefährliche Temperament.«
Freundlich tippte er ihr auf die Nase und spazierte aus dem Stall.
Der Tag des Derbys war frühlingshaft warm. Eine sanfte, duftende Brise wehte, der Himmel war klar und wolkenlos. Doch das perfekte Wetter beeindruckte Adelia, deren Nerven entsetzlich angespannt waren, in keiner Weise. Sie hatte Travis am Vormittag mehrere Male gesehen, und sie beneidete ihn um seine Gelassenheit ebenso wie sie sich darüber ärgerte. Noch immer hallte der leidenschaftliche Kuss in ihr nach, und sie fand es geradezu unmöglich, ganz normal zu funktionieren. Nun auch noch auf das Rennen zu warten war eine einzige Qual.
Schließlich stand sie neben Travis auf der Tribüne mit dem Gefühl, dass sie jeden Moment aus den Schuhen kippen würde, wenn das Rennen nicht bald begann.
»Hier.«
Adelia blickte auf das Glas, das Travis ihr hinhielt.
»Was ist das?«
»Ein Mint Julep.« Er nahm ihre Hand, drückte das Glas hinein und schloss ihre Finger darum. »Trinken Sie das«, befahl er. »Aus zweierlei Gründen. Erstens ist das Tradition, und Sie können das Glas zur Erinnerung an Ihr erstes Derby behalten. Und zweitens«, fuhr er fort, »brauchen Sie etwas, das Ihre Nerven beruhigt. Sonst fallen Sie mir noch um.«
»Das stimmt allerdings.« Sie nippte behutsam an dem Cocktail aus Minze und Whiskey. »Travis, ich könnte schwören, dass heute sogar noch mehr Zuschauer hier sind als letztes Mal. Wo kommen die bloß alle her?«
»Von überall«, antwortete er und folgte ihrem faszinierten Blick. » Run for the Roses ist das wichtigste Rennen der Saison.«
»Warum heißt es so?« Sie fand die Kombination aus Gespräch und Mint Julep außerordentlich beruhigend.
»Der Sieger wird mit einem Kranz aus roten Rosen geschmückt, und der Jockey bekommt einen ganzen Arm voll. Deswegen nennt man es Run for the Roses.«
»Das ist nett.« Adelia schob sich die Kappe ein wenig aus der Stirn. »Majesty werden die roten Rosen gefallen.«
»Er wird ganz verrückt danach sein«, stimmte Travis mit verdächtiger Ernsthaftigkeit zu, doch bevor Adelia etwas entgegnen konnte, erklangen die ersten Töne von »My Old Kentucky Home«.
»Ach, Travis, die Parade beginnt!« Sie heftete den Blick auf Majesty und den kleinen Mann auf seinem Rücken, der erneut strahlend rot und golden gekleidet war. Die anderen Jockeys in Blau und Grün und Gelb nahm sie gar nicht wahr. Zudem gab es ihrer Ansicht nach auch kein Tier, das es an Kraft und Schönheit mit Majesty aufnehmen konnte – und so, wie Majesty stolzierte, war er derselben Meinung.
»Der Himmel sei uns gnädig, Onkel Paddy«, murmelte sie, als ihr Onkel neben ihr auftauchte. »Mein Herz schlägt so schnell, dass ich jeden Moment zerplatze. Ich glaube, ich bin für so etwas nicht gemacht.«
Majesty wurde in die Startbox geführt, und dann verlor sie sich in dem Geschmetter der Trompeten und dem Gebrüll der Zuschauer. Die Pferde rasten in einer riesigen Staubwolke los.
Ihr Blick folgte Majesty, der in gleichbleibender Geschwindigkeit galoppierte. Die Luft vibrierte. Adelia hatte das Gefühl, selbst auf Majesty zu reiten, den Wind auf ihrem Gesicht und den starken Rhythmus des Pferdes unter sich zu spüren. Ohne es zu merken, hatte sie sich in Travis’ Arm festgekrallt.
Als sie in die zweite Kurve kamen, lenkte Steve das Pferd auf die Innenbahn, woraufhin Majesty das Feld mit langen, geschmeidigen Bewegungen hinter sich ließ. Der Abstand zwischen ihm und dem nächsten Pferd wurde immer größer. Er galoppierte scheinbar mühelos weiter und erreichte das Ziel mit mehr als vier Pferdelängen Vorsprung.
Ohne zu zögern warf Adelia sich begeistert in Travis’ Arme. Sie konnte vor lauter Freude nur unzusammenhängend auf ihn und ihren Onkel einreden. Paddy führte neben ihr einen improvisierten Freudentanz auf.
»Na los.« Travis legte Paddy einen Arm um die Schulter. »Gehen wir hinunter zu unserem Gewinner, bevor der Andrang zu groß wird.«
»Ich warte auf euch.« Adelia
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