Einklang der Herzen
erste Mal. Ich halte es kaum aus.«
»Ich werde Sie trotzdem mitnehmen«, kündigte er an und spielte einen Moment lang mit ihren Haarspitzen. »Sie bringen mir die Aufregung zurück. Für mich ist das alles schon so selbstverständlich geworden.«
Verblüfft über seine sanfte Stimme sah sie ihn an und wollte gerade etwas sagen, als die Startglocke schrillte und die Menge zu jubeln begann. Die Pferde donnerten über die Rennbahn. An der ersten Kurve teilte sich das Feld auf, Majesty schien wie ein glühender Komet zwischen den schimmernden Körpern hindurch zu sausen, bis er mit seinem schnellsten Konkurrenten Kopf an Kopf lag. Dann, als ob ein Schalter umgelegt worden wäre, wurden seine Schritte noch länger und ungestümer, bis er auf die Zielgerade zuzufliegen schien.
Die Zuschauer gerieten vollkommen außer Rand und Band, klatschten und jubelten in ohrenbetäubender Lautstärke. Adelia Füße verloren den Halt, als Travis sie hochhob und im Kreis herumwirbelte. Erschrocken schlang sie die Arme um seinen Nacken. Er ließ sie auch nicht los, als Paddy sie beide umarmte. Die Worte, die gerufen wurden, ergaben für sie keinen Sinn, und während dieses Freudentaumels trafen sich ihre Lippen.
Auch hinterher konnte sie nicht sagen, wer da wen geküsst hatte; Adelia wusste nur, dass dieser Kuss sie noch viel mehr aufwühlte als das vorangegangene Rennen. Als ihre Füße wieder den Boden berührten, drehte sich in ihrem Kopf noch immer alles. Sie zitterte. Sie konnte nicht anders als zu ihm hinaufzustarren. Einen Moment lang fühlte sie dasselbe wie vor Monaten, als das Fohlen geboren worden war. Die lärmende Menschenmenge um sie herum verschwand, und sie glaubte, in seinen Augen zu ertrinken.
»Dann gehen wir mal hinunter.« Paddy räusperte sich sehr umständlich, bevor er Travis eine Hand auf die Schulter legte. Als Travis den Blick von Adelia löste, glaubte sie, ihre Beine würden unter ihr nachgeben. Sie war so verwirrt wie jemand, der zu schnell aus einem Traum erwachte.
»Ja.« Travis grinste wie ein kleiner Junge. »Gehen wir dem Sieger gratulieren. Los.« Er packte Adelias Hand und zog sie hinter sich her.
»Ich komme nicht mit.« Sie stemmte sich gegen sein Gewicht.
»Und ob Sie das tun«, rief er, ohne sie anzusehen. »Sie haben das letzte Mal Ihren Willen durchgesetzt. Aber jetzt werden Sie dabei sein, wenn Majesty seine Blumen bekommt. Weiße Nelken sind es diesmal, und eine davon gehört Ihnen.«
Er ignorierte ihre Einwände, und kurz darauf befand sie sich mit den anderen im Winner’s Circle. Kameras waren aufgebaut, Blitzlichter leuchteten auf; Adelia hielt sich so gut es ging im Hintergrund. Noch immer war sie von dem Verlangen erschüttert, das sie in Travis’ Umarmung empfunden hatte, von diesem überwältigenden, wilden Wunsch, ihm ganz und gar zu gehören. Sie fühlte sich wie von einem unlöschbaren Durst geplagt, und diese Empfindung erschreckte sie zutiefst. Sie wusste, dass ihre Sehnsucht nach Travis und ihre Liebe sie verletzlich machten, dass jede Gegenwehr dahinschmelzen würde wie Frühlingsschnee, wenn Travis seinen Vorteil ausnutzte.
Sie musste ihn sich vom Leib halten, jegliche Situationen vermeiden, in denen sie allein waren. Sie sah zu ihm hinüber. Ihre Blicke trafen sich, und sie begann zu zittern. Hastig schlug sie die Augen nieder. So musste sich ein Kaninchen fühlen, das von einem starken schlauen Fuchs in die Enge getrieben worden war.
6. K APITEL
Zurück im Hotel beschloss Adelia, mit Onkel Paddy auf sein Zimmer zu gehen, weil sie mit ihren Gedanken nicht allein bleiben wollte. Travis begleitete sie bis zur Tür.
»Ich habe für heute Abend einen Tisch reserviert.« Er strahlte. »Steve feiert seine eigene Party mit einer jungen Dame, die seit dem Derby nicht mehr von seiner Seite weicht.«
»Ach, Travis.« Paddy ließ sich schwer auf sein Bett sinken. »Heute musst du ohne den alten Mann feiern. Ich bin völlig erledigt.« Lächelnd schüttelte er den Kopf. »Das war genug Aufregung für einen Tag. Ich spiele Gutsherr und lasse mir das Abendessen ans Bett bringen.«
»Onkel Paddy.« Adelia legte ihm eine Hand an die Stirn. »Dir geht es nicht gut. Ich bleibe bei dir.«
»Nun lass das mal.« Er wehrte sie entschieden ab. »Du machst so ein Theater wie deine Großmutter immer. Ich bin müde und nicht krank. Am Ende kommst du noch auf die Idee, mich irgendein ekelhaft schmeckendes Gebräu trinken zu lassen oder mir einen Wickel zu machen.« Mit einem gequälten
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