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Einmal auf der Welt. Und dann so

Einmal auf der Welt. Und dann so

Titel: Einmal auf der Welt. Und dann so Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Stadler
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ganz gemächlich, immer mit der Ruhe, mit einer Elefantenruhe, und wie schnell er laufen konnte und immer schneller, und wie der frechste Tiger nun zum ersten Mal in diesen Elefantenfuß biss.
    Nun ging es nicht mehr lange. Aber noch lange genug, so lange, dass auch diesem Elefanten nun klar wurde, wie lang der Schmerz und wie kurz das Leben war. Nun bissen diese Tiger abwechselnd von rechts und links, einmal mehr oben, einmal mehr unten, bissen sich in ihren Nachbarn hinein, der es damals auf der Savanne für ganz und gar ausgeschlossen gehalten hätte, dass dies einmal geschehen würde, dass seine Savannennachbarn einmal so mit ihm umgehen würden, und der Elefant rannte immer noch weiter, als wüsste er, wohin. Und zuletzt hatte es einer der Tiger geschafft, auf diesen Elefanten, der immer noch lief und lief, hinaufzuspringen, ihn zu erobern, und wie im Zirkus der Akrobat, eine Zeit lang so das Gleichgewicht zu halten, im Laufen, bis der Elefant das Gleichgewicht verlor und - nun war es nicht mehr weit. Die Geschichte war bald zu Ende. Das ist schon fast die ganze Geschichte, das die Zeit seines Sterbens über vollkommen stumme Tier (nur sein eingeblendetes Schnaufen hörte man durch den Lautsprecher, wie auch die wie ein Trommelfeuer einschlagenden Bisse) wurde nun vom Helden des Tages zu Fall gebracht, fiel um, schrie auf, als wäre es ein Todesschrei.
    Da lag er, der Elefant mit seinem Elefantenhirn. Das hätte er nie gedacht, dass er einmal so daliegen würde und dass es aus wäre. Es folgte der Weltuntergang, und nun hätte es eigentlich ein Erdbeben geben müssen.
    Und dann war Schluss, Sela, Psalmenende. Das Lebewesen lebte zwar immer noch. Aber das Weitere, nachdem der erste Hunger der Tigerfamilie gestillt war, sah man nun nicht mehr, und mit den blutverschmierten Mäulern und dem immer mehr in ihnen verschwindenden Elefanten endete diese Geschichte, und der Film ging an einer anderen Stelle weiter, mit Stimmungsbildern, Naturimpressionen, Landschaften voller rosaroter Flamingos, wie ich sie gerade an der Lagune von Sarmiento nicht schöner gesehen hatte.
    Es war alles ganz wie zu Hause.
    Und wie zu Hause, wo meine Freunde, je nach Charakter, bei der Augsburger Puppenkiste schon gelacht hatten, wenn der Bösewicht vom Pferd gestoßen wurde, und noch mehr, wenn er unter Fluchen und wilden Schreien totgemacht wurde, so war es nun auch hier.
    Und wie es damals, im Himmelreich und in Meßkirch war, so war es auch im Kongo und hier: Die einen lachten, und die anderen weinten. »Darin glichen wir uns, dass wir uns nicht glichen. Darin waren wir uns ähnlich, dass wir uns nicht ähnlich waren.«
    - Mir war es mit Pico Grande zu viel geworden, auch wegen dieser Leute, die auch nicht schlimmer waren als ich. Es gab auch hier Menschen, die lebten vom Tod und vom Waffenhandel, irgendwie waren diese Dinge aus Texas und Überlingen schließlich hierhergekommen. Die Einheimischen hatten längst vom Menschenfresser auf Schnellfeuerwaffen umgestellt, dachte ich.
    Da hatten diese Bilder von den Menschenfressern, die nun folgten, etwas rührend Unbeholfenes, als wäre es die gute alte Zeit gewesen, verglichen mit heute, dachte ich.
     
    Er versicherte gleich beim ersten Bild, dass er es selbst aufgenommen habe. Die Vorgeschichte des Bildes war schnell erzählt, wenn auch kompliziert. Er berichtete von der abenteuerlichen Hinreise und dann auch davon, wie es ihm gelungen war, wieder zu entkommen. Schon die Ausführungen zum ersten Bild waren vom Entsetzen der Zuhörer gezeichnet. Als der erste Neger zu sehen war und zum ersten Mal das Wort Menschenfresser fiel, musste ich doch wieder, um meinem Entsetzen zu entkommen, in das damals abgebrochene Programm des autogenen Trainings fliehen, und ich wählte irgendein Wort zur Beruhigung, das mir einfiel, und ich sagte lautlos und litaneiartig »ichtys, der Fisch - puella, das Mädchen« vor mich hin: »ichtys, der Fisch - puella, das Mädchen.«
    Auch der Mensch von Pico Grande hatte sich tatsächlich schon vom ersten Bild berauschen lassen, das einen Schwarzen zeigte, der in Kriegsschmuck und bunter Bemalung die Besucher des Lichtbildervortrages anstarrte, während ich weiter, um mich abzulenken, unsinnige Sätze vor mich hin sagte, wie »Ich esse gern Verkochtes«, was im Hinblick auf den falschen Menschenfresser doppelt unsinnig war.
    Genüsslich hatte die eine die Gesichter gelesen. Die Begierde, die schon das erste Bild auslöste, würde ihr gelten. Sie würde profitieren,

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