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Einmal auf der Welt. Und dann so

Einmal auf der Welt. Und dann so

Titel: Einmal auf der Welt. Und dann so Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Stadler
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ein kleines Dreieck. Seine alten Linden stehen noch. Unser Friedhof liegt auf dem Sandbühl. Seine Grabsteine stehen wie Soldaten, in Reih und Glied. Sie sind glatt und glitschig. Einige sind vermoost. Für die Autos gibt es jetzt einen Parkplatz. Für den Abfall eine Müllhalde, für die Gießkannen einen Wasserhahn. Für Strittmatters Nachfolger einen Umkleideraum. Für die Toten zwei Leichenkammern. Für die Leichenhalle elektrischen Strom. Für die Trauergäste ein Vordach, damit sie nicht nass werden, wenn's regnet.
    Friedhofszeiten. Vielleicht einmal eine spätere Erfindung, ich weiß schon.
    Das Land, ausbleibend. Sonntagsvergnügen, von denen ich nichts verstehe.
    Fritz wirkt lächerlich klein auf seinem kleinen Traktor. Fritz hat nichts mehr zu sagen. Seine Felder sind lächerlich klein. Sie grenzen ans Neubaugebiet. Aber er hat sich noch nicht auffressen lassen.
    Das Land ist billig. Leute haben angesiedelt, die Dippel, der Bürgermeister, hierhergelockt hat, weil es hier billiger ist als anderswo.
    Der Landmann ist auf dem Feld geblieben und ein Fremdwort geworden.
    Das Kind hat vergessen, was es fragen wollte. Der Lehrer weiß nicht mehr, was er erklären soll.
     
Nicht mitgereist?
     
    (Frage an Eichendorff)
    Junger Mann zum Mitreisen gesucht, lese ich auf dem Rummelplatz. Ich hätte mitreisen können und Chipsverteiler bei den Boxautos werden.
    »Habt ihr die Schnauze voll?« (Die Ansagerin beim Superkarussell.)
    »Wollt ihr noch einen drauf?« (Dieselbe Ansagerin, ordinäres Mikrophon.)
    »Soll ich die Sau rauslassen?« Sie lässt die Sau raus, auf alle Arten, mit denen man durch ein auf Hochtouren gedrehtes Karussell die Sau rauslassen kann.
    Nachher der Schwindel. Die gebrannten Mandeln. Das Magenbrot.
    Eine Schiffschaukel steht verloren mit Glocke und Bremsblock. Der Schiffschaukelbesitzer steht daneben. Vielleicht ist es auch nur ein mitreisender junger Mann. Vielleicht ist er der Freund der Schiffschaukelbesitzerin, die gerade Zuckerwatte holen geht.
    Die alte Schiffschaukel mit ihren fünf Gondeln und ihren fünf Bremsklötzen. Vor der Schaukel der junge Mann, zum Mitreisen gesucht, der zu Hause gebliebene, zum Mitreisen gesuchte junge Mann. Er ist unsicher, ob er eine Runde schiffschaukeln soll. Die schnell wechselnden Beleuchtungen. Farbiges Licht. So schnell, dass die Farbe des Lichts auf ihn abfärbt und an ihm hängen bleibt.
    Ich verstecke mich hinter dem jungen Mann, der vor mir vor der Schiffschaukel steht. Er steht da, breitbeinig, und sieht, wie einer nicht hochkommt. Er hat die mittlere Schiffschaukel gemietet, die für den Umschwung. Er lacht, dass er nicht hochkommt mit dem Lederriemen um den Bauch, überflüssig. Schon greift der junge mitreisende Mann, möglicherweise der Schiffschaukelbesitzer, zur Glocke. Es ist bald sechs. Ich sollte schon längst im Stall sein. Es ist schon dunkel. Es ist bald Ende Oktober. Es ist Kirbemarkt. Er hat den Umschwung nicht geschafft. Er verlässt die Schiffschaukel und geht weiter. Hinter seinem Rücken wird weitergelacht. Er soll etwas anderes versuchen. Er gehört nicht in eine Schiffschaukel. Nicht einmal richtig Kaugummi kauen kann er.
    Die Schießbudenfiguren, die tätowierten Arme, die sich in die Haare geraten, auch nur wegen so einer Schießbudenfigur. Die Schiffschaukelmusik versandet.
    Die Boxautomusik nebenan. Ich will ins silberne, soll schneller sein. Der mitreisende junge Mann springt von Boxauto zu Boxauto. Heute ist er in Meßkirch.
    Hält sich an der Stange fest. Die Hände sind groß. Das Gesicht ist fremd, großenteils Kaugummi, die Ecken sind tätowiert. Die Mädchen verdrehn die Augen.
    Sonst passiert nichts.
    Ich müsste längst im Stall sein.
    Ein Rest gebrannter Mandeln für den Feierabend.
     
Kleiner Schmerz
     
    »Mich schmerzte mein Wehwehchen, und dich schmerzte mein Schmerz, Großmutter.«
    Kleiner Schmerz, als er noch einen Sinn hatte.
    Der Zahnarzt macht dich gesund. Der Zahnarzt macht dir einen schönen Mund.
    Die Bettflasche macht das Bett warm. Kalter Kaffee macht schön. Fetter Speck macht groß und stark. Kraft-Käse gibt Kraft. Liebe macht krank. Der Krug geht zum Brunnen, wo er bricht. Ewig währt am längsten.
    Die Beliebigkeit der Erinnerungen und ihre Logik, die weiterhin als du lebst noch, in dieser Kette also, erscheint. Wenn die Erzählung stockt, ist es die Erinnerung.
     
    Ich habe keine Angst vor der Nachtfrau mehr
     
    Früher genügte es, wenn man mir sagte: Die Nachtfrau kommt, und ich blieb zu

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