Einmal durch die Hölle und zurück
Ansichten mich nicht interessieren.
Sie seufzt. »Glauben, dass die Bibel das Wort Gottes ist?«, fragt sie. »Ich weiß nicht. Welche Anhaltspunkte gibt es für diese Annahme?«
»Die Mehrheit der Menschen glaubt an die Bibel.«
»Dann unterliegt die Realität also demokratischen Prinzipien?«
»Nein, aber solange das Gegenteil nicht bewiesen ist, ist die Überzeugung der Mehrheit doch ein guter Ausgangspunkt.«
»Aber das Gegenteil
ist
bewiesen. In der Bibel heißt es, dass die Menschen in derselben Woche erschaffen wurden wie der Planet. Jesus sagt, das Ende der Welt wird noch zu Lebzeiten seiner Anhänger eintreten. Sie können zwar versuchen, diese Aussagen semantisch so hinzubiegen, dass sie Ihrer Hypothese nicht widersprechen, aber das hat nichts mit rationalem Denken zu tun. Das ist bloß Glaube.«
»Mir war nicht klar, dass Glaube etwas Schlechtes ist.«
Violet blickt ihn an. »Habe ich dieses Gespräch angefangen?«
»Nein.«
»Gut. Ich habe nicht behauptet, dass Glaube etwas Schlechtes ist. Aber er ist offenbar nicht richtig befriedigend, sonst müssten Sie nicht so hartnäckig um meine Zustimmung buhlen.«
»Wow«, sagt Del.
»Ist das hier Forelle?«, frage ich.
Ohne mich zu beachten, sagt Fick: »Bleiben wir doch bitte respektvoll.«
»Warum?«, fragt Violet. »Es gibt etwas, das
ich
nicht verstehe. Seit wann ist Religion nichts mehr, ›das zu glauben man das Recht haben sollte‹, sondern ein ›Gedankengerüst, das andere Menschen zu respektieren haben, obwohl diese Gedanken nachweislich falsch sind‹? Und warum beruht das Ganze nicht auf Gegenseitigkeit? Sie finden es doch auch nicht nötig, rationales Denken zu respektieren.«
»Vielleicht verstehe ich bloß nicht, was am Glauben an die Evolution rational sein soll. Seit Darwin versucht man, die Evolution zu beweisen, aber es ist eine Theorie geblieben.« Lächelnd blickt er sich um. »
Das
bezeichne ich als Glaube.«
Violet starrt ihn an. »Meinen Sie das ernst?«
»O ja.«
»Die Evolution ist eine Theorie im pythagoräischen Sinne, also eine allgemeine Regel, die in der realen Welt oft bestätigt wird. Und nicht in dem Sinne, dass sie unbewiesen ist. Sie wurde unzählige Male bewiesen. Jedes Mal, wenn man eine Grippeimpfung bekommt, beweist man die Evolution.« Zu mir gewandt, sagt sie: »Wie gesagt, du kannst dich ruhig auch mal zu Wort melden.«
»Ist das hier Forelle?«
»Zu diesem Thema, hab ich gemeint.«
»Ich bin völlig deiner Meinung«, sage ich.
»Dann können
Sie
mir vielleicht eine Frage beantworten«, sagt Fick zu mir.
»Wahrscheinlich nicht.«
»Die Evolution findet doch statt, weil alles zu überleben versucht, oder?«
»Okay.«
»Aber das Gefühl selbst – der Wille zu überleben. Wie ist
der
entstanden?«
»Da bin ich überfragt.«
Violet tritt mir auf den Fuß.
»Aber Dr. Hurst weiß das«, sage ich.
Kopfschüttelnd legt Violet ihre Gabel weg. »Die Evolution erfordert keinen Überlebenswillen. Sie erfordert nur die
Tendenz
zu überleben. Wenn man viele verschiedene Moleküle hat und zwei davon zufällig die Tendenz haben, sich zu vereinigen, dann entstehen Verbindungen, die aus diesen beiden Molekülen bestehen. Und wenn einige dieser Verbindungen zufällig die Tendenz haben, sich mit anderen Verbindungen zu vereinigen, dann bilden sie noch kompliziertere Verbindungen. Und immer so weiter, bis man bei Organismen angelangt. Der Wille zu überleben mag für Tiere, die ihn haben, ein Vorteil sein, aber er ist eine
Folge
der Evolution, nicht ihre Ursache. Seeanemonen wollen genauso wenig überleben, wie Heroin von einem Junkie gespritzt werden will, aber beide tendieren dazu, wenn die entsprechenden Umstände herrschen.«
»Und was ist mit dem zweiten Gesetz der Thermodynamik?«, fragt Fick.
»Das wollte ich selbst gerade fragen«, sagt Miguel.
»Ich auch«, sagt Del.
»Was soll damit sein?«
»Na ja«, erklärt Fick, »Sie haben uns doch gerade ausführlich erzählt, dass es einer Ansammlung von Chemikalien möglich ist, durch Zufall einen Menschen zu bilden. Aber im zweiten Gesetz der Thermodynamik heißt es, alles tendiert zu Entropie und Unordnung statt zu Komplexität und Ordnung. Dann ist die Evolution eine Ausnahme von dieser Regel?«
Violet wirkt empört. »Ihr Bezugsrahmen ist falsch. Das zweite Gesetz der Thermodynamik sagt, dass abgeschlossene Systeme zur Entropie neigen. Die Erde ist aber kein abgeschlossenes System. Sie wird aus dem All ständig mit Materie und Energie versorgt.
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