Einmal Himmel und zurück: Der wahre Bericht einer Ärztin über ihren Tod, den Himmel, die Engel und das Leben, das folgte (German Edition)
meine ich nicht, sondern: Da muss wirklich eine übernatürliche Kraft am Werk sein.«
Außerordentliche Dinge begannen zu geschehen.
Sie schauten nach unten, und plötzlich erschien inmitten der Strömung ein trockener Felsen, der zwischen ihnen und mir eine Verbindung herstellte. Auf diesen Felsen konnten sie treten und ihn als Plattform benutzen, von der aus sie mein Boot erreichten. Mit gespreizten Beinen auf festem Untergrund stehend, konnte Chad es ergreifen und daran ziehen. Er war jung, kräftig, ein mit höchsten Preisen ausgezeichneter Athlet, und so deutete alles auf Erfolg hin. Er dachte sich: In diesem Moment wird mir eine übermenschliche Kraft zuteil, wie jener Frau, die plötzlich den Wagen von ihrem Kind hochheben konnte.
Mit aller Macht und der unerschütterlichen Überzeugung, dass ihm der Erfolg sicher sei, zog er am Boot. Nichts geschah. Er hatte keinen Zweifel: Wenn etwas klappen kann, dann klappt es jetzt. Dem war aber nicht so. Chad fühlte sich völlig unzulänglich und glaubte, er und die anderen hätten mich im Stich gelassen. Später berichtete Kenneth, sie hätten auch danach mehrmals versucht, das Boot zu bewegen, doch es steckte wirklich fest.
Die Erkenntnis, dass sie nichts ausrichten konnten, stürzte Tom, Chad und Kenneth in totale Hilflosigkeit. Jeder wusste, dass allein Gottes Eingriff einen Unterschied bewirken würde, und als sie erneut mein Boot anpackten, spürte Tom, wie er sagte, »einen Schall, aber ohne Geräusch«. Mein Boot bewegte sich ein wenig, und schon war Chad im Wasser.
Während dieses »Schalls« verschob sich mein Boot, wodurch mein Körper mehr in der Strömung lag. Deren Wucht riss mir Schwimmweste und Helm weg, zog mich aus dem Kajak und den Fluss hinunter.
Niemand sah, wie ich aus dem Boot geschleudert wurde, doch Chad erspähte etwas Rotes, das flussabwärts trieb. Er hielt es für meine Schwimmweste und dachte traurig, er sollte sie für meine Familie bergen. Also tauchte er unter und ergriff die Schwimmweste, als sie an die Oberfläche schwappte. Die leere Schwimmweste in der Hand, spürte er, wie mein Körper gegen seine Beine schlug. Er hatte nicht einmal geahnt, dass ich da war, griff ins Wasser, packte mich am Handgelenk und ließ es nicht mehr los.
Anne, die nach wie vor in ihrem Boot saß, paddelte in seine Richtung, um ihm zu helfen, meinen violetten, aufgeblähten, nach Sauerstoff lechzenden Körper ans Ufer zu bringen. Meine Augen waren ohne Lebensfunken.
Die Longs geben Kurse für Rettungsschwimmer im Wildwasser, also sind sie oft die Ersten, die bei Unfällen am Payette River herbeigerufen werden. Mein toter Körper wäre nicht der erste gewesen, den sie aus einem Fluss geborgen hätten, aber Chad war am Boden zerstört. Später nannte er mir den Grund dafür – er habe »einen Menschen sterben sehen, den er liebte« und geglaubt, sie hätten mich völlig im Stich gelassen. Tom wiederum erzählte, die Atmosphäre sei »schrecklich« gewesen, »wie bei einem furchtbaren Autounfall«.
Sie zogen meinen Körper aufs steinige Ufer, wo Tom, Chad und Kenneth ihn untersuchten und systematisch die üblichen Maßnahmen zur Wiederbelebung durchführten. Fast vierzehn Minuten waren vergangen, seit Anne ihre Stoppuhr in Gang gesetzt hatte, und die Aussichten düster, als die Reanimation begann. Die Anspannung stieg noch, weil eine Frau darauf bestand, man solle derlei unterlassen, und sagte: »Sie ist dann nur noch ein Gemüse«, während ihre Kameradin das Ereignis mit der Videokamera filmen wollte.
Ein Grundsatz bei Wiederbelebungsversuchen lautet, dass man sich von der verunglückten Person emotional lösen und sich ausschließlich auf das vorgeschriebene Prozedere konzentrieren soll, bis sie entweder für lebendig oder tot erklärt wird.
Entgegen ihrer Lehre und Erfahrung konnten Tom, Kenneth und Chad zu keinem Zeitpunkt die Tatsache vergessen, dass ich, ihre Freundin, diejenige war, die wiederbelebt wurde. Als sie die einzelnen Schritte vollzogen, beteten sie ständig für meine Rückkehr und riefen mir immer wieder zu: »Mary, du kannst uns nicht verlassen. Wir wissen, dass du da bist. Komm zurück. Bitte mach einen Atemzug.« Sie hatten das Gefühl, die Zeit wäre stehen geblieben.
Als ich endlich einen sehr tiefen, keuchenden Atemzug machte, waren sie nicht sicher, ob er ein Zeichen der Genesung oder des Todeskampfes war. Da auf diesen Atemzug nicht unmittelbar ein zweiter folgte, sprachen sie erneut laut mit mir und baten mich
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