Einmal ist keinmal
Alarmanlage ein, stieg aus und schleppte mich die Treppe hoch. Die Schuhe ließ ich in der Diele stehen, den Anrufbeantworter und meine Tasche nahm ich mit in die Küche. Nachdem ich mir ein Bier aufgemacht hatte, rief ich im Krankenhaus an, um mich nach Ranger zu erkundigen. Ich erfuhr, daß man ihn nach der Behandlung entlassen hatte. Das war eine gute Nachricht.
Ich stopfte mich mit Erdnußbutterkräckern voll, spülte alles mit einem zweiten Bier hinunter und taumelte ins Schlafzimmer. Als ich mir die nassen Klamotten vom Leib schälte, wunderte ich mich, daß ich noch keinen Schimmel angesetzt hatte. Ich sah nicht überall nach, aber die Körperteile, die ich inspizierte, waren schimmelfrei. Toll. Noch mal Glück gehabt. Ich zog mir ein T-Shirt-artiges Nachthemd und eine frische Unterhose an und fiel ins Bett.
Als ich aufwachte, hämmerte das Herz in meiner Brust, und ich wußte nicht, warum. Dann teilten sich die Spinnenweben, und ich merkte, daß das Telefon klingelte. Ich tastete nach dem Hörer und starrte blödsinnig auf den Wecker. Zwei Uhr morgens. Bestimmt war jemand gestorben. Grandma Mazur oder Tante Sophie. Oder vielleicht hatte mein Vater einen Nierenstein ausgeschieden.
Atemlos meldete ich mich, auf das Schlimmste gefaßt. »Hallo?«
Zunächst blieb alles still. Dann hörte ich angestrengtes Keuchen, dumpfe Geräusche, und zuletzt stöhnte jemand. Eine Frauenstimme aus großer Entfernung. »Nein« flehte sie. »Nein, nicht.« Ein schrecklicher Schrei zerriß mir schier das Trommelfell; mir fiel der Hörer aus der Hand und ich brach in kalten Schweiß aus, als mir klar wurde, was ich da hörte. Ich knallte den Hörer auf die Gabel und knipste die Nachttischlampe an.
Mit zitternden Beinen stand ich auf und stolperte in die Küche. Ich schloß den Anrufbeantworter so an, daß er auf das erste Läuten reagierte. Meine Ansage bat nur um Hinterlassung einer Nachricht. Meinen Namen nannte ich nicht. Ich ging ins Badezimmer, putzte mir die Zähne und legte mich wieder ins Bett.
Das Telefon klingelte, und ich hörte, wie sich das Gerät einschaltete. Ich setzte mich aufrecht hin und lauschte. Der Anrufer sprach in einem halb geflüsterten Singsang. »Stephanie«, säuselte er. »Stephanie.«
Instinktiv hielt ich mir die Hand vor den Mund. Es war ein angeborener Urreflex, um einen Schrei zu ersticken, aber ich war sowieso zu zivilisiert, um zu schreien. Das einzige, was noch daran erinnerte, war ein scharfes Luftholen. Teils Ächzen, teils Schluchzen.
»Du hättest nicht auflegen sollen, du Biest«, sagte er. »Du hast das Beste verpaßt. Du sollst doch wissen, was der Champ alles drauf hat, damit du dich schon darauf freuen kannst.«
Ich rannte in die Küche, aber bevor ich den Stecker aus der Wand ziehen konnte, hörte ich wieder die Frau. Sie klang jung. Ihre tränenerstickte Stimme war kaum zu verstehen. »Es war g-g-gut«, sagte sie. Ihre Stimme brach. »Gott hilf mir, er hat mir weh getan. Er hat mir so furchtbar weh getan.«
Dann war die Verbindung unterbrochen, und ich rief sofort die Polizei an. Ich erklärte, daß ich die Nachricht auf Band aufgenommen hatte und daß sie von Ramirez kam. Ich gab den Beamten Ramirez’ Adresse. Ich gab ihnen meine Telefonnummer, falls sie eine Fangschaltung einrichten wollten. Nachdem ich aufgelegt hatte, lief ich ziellos durch die Wohnung und vergewisserte mich dreimal, daß Fenster und Tür gesichert waren. Ich war heilfroh um den zusätzlichen Riegel.
Das Telefon klingelte wieder, und der Anrufbeantworter schaltete sich ein. Niemand sagte etwas, aber ich konnte die bösen, wahnsinnigen Schwingungen in der Leitung spüren. Ramirez war irgendwo da draußen und lauschte, er berauschte sich an dem Kontakt und wollte meine Angst schmecken. In weiter Ferne, so leise, daß es kaum zu hören war, weinte eine Frau. Ich riß den Telefonstecker so heftig aus der Wand, daß der Gips abplatzte, und kotzte ins Spülbecken. Ein Glück, daß es Abfallzerkleinerer gab.
*
Im Morgengrauen wachte ich auf. Ich war froh, daß ich die Nacht hinter mir hatte. Es hatte aufgehört zu regnen. Für Vogelgezwitscher war es noch zu früh. Es fuhren auch noch keine Autos. Es war, als ob die ganze Welt den Atem anhielt und darauf wartete, daß die Sonne am Horizont auftauchte.
Der Telefonanruf brannte in meinem Hirn. Ich brauchte kein Tonband, um mich an die Nachricht zu erinnern. Die brave, vernünftige Stephanie wollte einen Gerichtsbeschluß erwirken, der Ramirez verbot, sich
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