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Einmal Paradies und zurück

Einmal Paradies und zurück

Titel: Einmal Paradies und zurück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Carroll
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schlucken! Aber so sehr ich ihn auch angeschrien habe, dass er damit aufhören soll, er hat einfach nicht auf mich gehört – es war, als hätte er einen unwiderruflichen Entschluss gefasst, gegen den ich nichts machen konnte … ich hab mich so hilflos gefühlt …«
    »Das brauchen Sie mir nicht zu erklären, Charlotte, ich hab das Ganze gesehen.«
    »Äh … Sie haben es gesehen? Wie denn?«
    Sie antwortet nicht, sondern dreht nur ihren PC -Bildschirm auf meine Seite des Schreibtischs, damit ich das Bild darauf sehe, glasklar. Wie im Fernsehen.
    Es ist James. Er liegt auf dem Sofa, genau so, wie ich ihn verlassen habe, nur dass er jetzt würgt und keucht. Ich kann ihn nicht hören, aber wie es aussieht, möchte er wahrscheinlich einen Eimer.
    »Ich versteh das alles nicht«, stammle ich, »wie können Sie das sehen? Ist das eine Art Live-Übertragung von einer Videokamera oder was?«
    »Na, was haben Sie denn erwartet? Meine Abteilung ist die Zentralstelle aller Operationen auf der Erde, wissen Sie. Nur den Neulingen zuliebe haben wir sie wie ein konventionelles, irdisches Büro gestaltet. Um sie nicht noch konfuser zu machen, denn die meisten sind, wie man an Ihnen sieht, recht schwierig.«
    »Aber … ich versteh es immer noch nicht ganz. James war sturzbetrunken, als ich von ihm weg bin … Wie hat er es geschafft, einen Krankenwagen zu rufen?«
    »Das hat er ja auch nicht.«
    In diesem Moment entdecke ich Sophie auf dem Bildschirm. Sie kommt mit einem feuchten Waschlappen aus der Küche und legt James behutsam die kalte Kompresse auf die Stirn.
    »Dann ist Quietschestimme … sorry, ich meine, dann ist Sophie also zurückgekommen?«
    »Ja, Sophie ist zurückgekommen. Natürlich war dafür ein Noteinsatz ihres Engels notwendig, aber sie hat es gerade noch rechtzeitig geschafft. Anscheinend hatte sie ihr Handy vergessen, und ihr Engel hat es ihr ins Gedächtnis gerufen, als sie mit dem Auto an der nächsten Kreuzung stand. Da hat sie schnell gewendet, ist zurück ins Haus und hat James dort mit dem leeren Tablettenbehälter neben sich gefunden. Da sie wusste, dass er dazu seit Tagen ununterbrochen getrunken hat, hat sie blitzschnell geschaltet und sofort den Notarzt alarmiert. Und der ist jetzt unterwegs. Gerade noch zur rechten Zeit.«
    Ich setze mich zurück, und jetzt kann ich wieder einigermaßen normal atmen. »Dann kommt er also durch.«
    »Aber das hat er, wie gesagt, nicht Ihnen zu verdanken, liebe Charlotte.«
    »Ach, kommen Sie, das ist jetzt aber ein bisschen unfair. Es ist schließlich nicht meine Schuld, dass alles in seinem Leben plötzlich über ihm zusammengebrochen ist.«
    »Anscheinend haben Sie nicht verstanden, was mit ›Wachen und weisen, lenken und leiten‹ gemeint ist, Charlotte. Aus irgendeinem Grund dachten Sie, es bedeutet Ruinieren, Sabotieren, Moralpredigten halten und das Ganze mit einer Prise Schadenfreude abschmecken.«
    »Das hab ich nie getan!«
    »Ach wirklich?« Regina blättert in dem Papierstapel vor ihrer Nase, zieht ein Blatt heraus und fängt an zu zitieren: »Punkt eins: Als Sie gemerkt haben, dass Ihr Schützling Sie hören kann, haben Sie ihn nach allen Regeln der Kunst verspottet, ihm Angst eingejagt, ihn bedroht, sich zu der Behauptung verstiegen, die Stimme seines Gewissens zu sein, und ihm den unabwendbaren Untergang prophezeit. War es so oder nicht?«
    »Äh, na ja … Okay, ich hab ihn anfangs schon ein bisschen auf den Arm genommen, aber zu meiner Verteidigung möchte ich anführen, dass mir keiner vorher gesagt hat, wie das läuft – ich meine, dass keiner mich hören würde außer ihm. Ich wusste nicht, dass es die Möglichkeit gibt …«
    »Es war die Idee Ihres Vaters.«
    »Dad?«
    »Ja. Als Sie hier ankamen, waren Sie durch die Trennung emotional so fertig, dass er dachte, wenn Sie sich um den Mann kümmern, den Sie geliebt haben, könnte das den Heilungsprozess fördern, indem Sie mit der Zeit vielleicht Mitgefühl für ihn entwickeln – anstelle der blinden Wut, die Sie bei Ihrer Ankunft hier fast zerfressen hat.«
    »O mein Gott, das war alles
Dads
Idee?«
    Sonst fällt mir nichts zu sagen ein, in meinem Hirn hat gerade der Supergau eingesetzt. Aber das Komische ist … irgendwie hat das mit dem Mitgefühl sogar funktioniert … wenn auch vielleicht auf Umwegen. Was Regina sagt, stimmt. Ich hab es nur vergessen. Als ich hergekommen bin, war ich wegen James dermaßen durch den Wind, so wütend und gekränkt, und jetzt … jetzt …

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