Einmal Paradies und zurück
überhaupt nicht!«
» ENTSCHULDIGUNG !«, kreischt Sophie von der Tür her. Ihre Bette-Davis-Augen sind kurz davor, aus dem Kopf zu quellen, und sie sieht aus, als würde gleich ihr ganzes Gesicht schmelzen. »Wenn du meinst, ich steh hier rum und schau dir zu, wie du irgendwelches Zeug über Botox absonderst und meine Stimme kritisierst, dann hast du dich gründlich verrechnet, James Kane. Warum schläfst du nicht erst mal deinen Rausch aus und rufst mich an, wenn du dich wieder einigermaßen präsentabel fühlst. Meine Nummer hast du ja.«
»Immer noch sechs sechs sechs, ja?«, rufe ich ihr ganz harmlos nach.
»Sophie«, sagt er, läuft ihr nach und streicht ihr über die Haare, was die Rattenschwanzfrisur nicht besser macht. »Bitte, Baby, lass mich ausreden. Ich weiß selbst nicht, was hier los ist, ich könnte schwören, ich habe … schau mal, ich weiß nicht, was da vor sich geht, aber ich bin sicher, es gibt eine absolut vernünftige Erklärung dafür.«
»Na klar: Du bist besoffen«, faucht sie, stolziert zurück zu ihrem Mini und knallt die Tür so heftig zu, dass die Scheiben klirren.
Kapitel 5
Fiona
Unglaublich. Unfassbar. Dieses ganze Engelzeug fängt an, mir echt Spaß zu machen. Declan trudelt ein, informiert James in aller Ausführlichkeit über das Meeting, das er heute Vormittag verpasst hat, und erzählt von einem anderen zahlungskräftigen Investor, mit dem sie sich im Lauf der Woche treffen wollen. Unterdessen lümmle ich auf dem Sofa, langweile mich entsetzlich und überlege mir, wie es wohl Fiona geht … und plötzlich … bin ich bei ihr. So leicht geht das. Als hätte ich auf einmal einen Freifahrschein mitten hinein ins Leben meiner Mitmenschen. Nicht dass ich mich hier aufspielen will oder so – ganz ehrlich, ich hab intensiv an sie gedacht, und auf einmal bin ich direkt neben ihr, um genau zu sein im völlig leeren Lehrerzimmer des Gymnasiums, an dem sie arbeitet. Kein Irrtum möglich, ich war schon ein paarmal mit ihr hier, und ich erkenne das Ambiente sofort an dem grässlichen Bodenbelag – Linoleum mit Blumenmuster. So was findet man nur in einer von Nonnen geleiteten Schule. Ganz zu schweigen von den ganzen Herz-Jesu-Statuen, die in geschmackvollen Arrangements überall rumstehen.
Da sitzt Fiona, in ihrem kleinen privaten Kabuff, das alle Lehrer für Freistunden nutzen, um zu korrigieren, obwohl sie meistens lieber online sind, oder sich – wie in Fionas Fall – halbherzig die Typen auf einer ihrer Lieblings-Websites anschauen: www.maybemorethanfriends.com. Neben ihr liegt eine Packung Chips, natürlich Cheese and Onion – unberührt, was mich bei ihrer Lieblingssorte wundert. Noch seltsamer allerdings ist das Foto, das mit Tesafilm an ihrer Wand befestigt ist und auf dem wir beide zu sehen sind. Genau in dem Augenblick, als ich mich neben ihr niederlasse, dreht sie sich um und starrt es an. Lieber Gott, allein der etwas verwirrte, verheulte Ausdruck auf ihrem blassen Gesicht raubt mir den Atem. Noch extremer wird der Eindruck dadurch, dass diese Frau eigentlich keine Person ist, die wie ich mal himmelhoch jauchzend, mal zu Tode betrübt durch die Welt geht, und sie so zu sehen bricht mir buchstäblich das Herz.
»Fiona?«
Ich lasse mich auf der Schreibtischkante nieder, nur ein paar Zentimeter von ihr entfernt. Aber sie scheint mich nicht zu hören.
Mist.
»Süße, ich geb dir Geld dafür, wenn du dieses Foto sofort wegschmeißt. Du weißt doch genau, dass das gesamte Beweismaterial von mir mit Pony auf dem Index steht«, sage ich fröhlich, in dem Versuch, sie etwas aufzuheitern.
Immer noch keine Reaktion.
Verdammt.
Ich hab ihr doch so viel zu erzählen! Ich meine, Fiona und ich führen problemlos zweistündige Telefongespräche über eine Episode unserer jeweiligen Lieblingsserien, also könnt ihr euch ungefähr vorstellen, wie lange es dauern würde, uns über das auszutauschen, was wir zurzeit durchmachen.
Doppelt seltsam ist, dass ich schwören könnte, sie spürt meine Nähe, denn sie wendet die Augen keine Sekunde von dem blöden Foto ab. Das ist so frustrierend! Ich sehe ihr an, dass sie mich furchtbar vermisst, und umgekehrt ist es nicht anders. Sie glaubt, sie hat mich für immer verloren, und ich weiß nicht, wie ich ihr verständlich machen kann, dass ich bei ihr bin, dass ich direkt neben ihr sitze und nur darauf warte, irgendein kleines Wunder für sie zu vollbringen.
Jetzt nimmt sie das Foto in die Hand und stellt es neben den
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