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Einmal Paradies und zurück

Einmal Paradies und zurück

Titel: Einmal Paradies und zurück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Carroll
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als wären Nachtaufnahmen und Budgetkosten auf einmal das interessanteste Thema, das er sich vorstellen kann.
    Noch ein Versuch. Ich weiß genau, was ihn wahnsinnig macht: Wenn ich singe. Keine falsche Bescheidenheit – meine Singstimme gehört ohne jeden Zweifel zu den schlechtesten der Welt, und wenn wir uns gestritten haben, brauchte ich nur ein paar Zeilen von »Let It Be« zum Besten zu geben, um James ins Bad zu jagen, wo er hektisch die Tür hinter sich verriegelte. Oder er streckte die Waffen. Um mich zum Schweigen zu bringen, war er zu nahezu allem bereit.
    Ich räuspere mich wie eine Covent-Garden-Sopranistin.
    Und dann blöke ich los, diesmal »Cabaret« von Liza Minelli, der einzige Song, von dem ich fast den ganzen Text auswendig kann. Ich würde behaupten, dass James lieber Fingernägel über eine Tafel schrappen hören würde als das, was ich jetzt von mir gebe.
    Gerade als ich bei der Stelle »When I go, I’m going like Elsie« bin und alles in die Waagschale werfe, was ich an ohrenbetäubendem Operndiva-Geschmetter aufbringen kann, unterbricht James mit totenbleichem Gesicht Declans Monolog.
    »Mann, hast du das … zufällig … auch gehört?«, fragt er zögernd.
    Ja, ja, ja, ja, ja!
    »Was soll ich gehört haben?«, fragt Declan verwundert.
    »Diesen … diesen Lärm. Diesen grässlichen Lärm. Klang ein bisschen wie … klang ein bisschen, als würde jemand singen, der nicht singen kann.«
    Ich jaule mit großem Vergnügen weiter, denn jetzt bin ich bei dem Teil, in dem es darum geht, dass das Leben von der Wiege bis zur Bahre nicht sehr lange dauert, und es ist echt zum Schieflachen – je lauter ich singe, desto bleicher wird James.
    »Vielleicht ist oben ein Radio an … oder so? Ja, das muss es sein … ein Radio«, sagt er hoffnungsvoll. »Vielleicht hat Hannah vergessen, es auszumachen.«
    »Äh, nein«, erwidert Declan, jetzt richtig besorgt. »Hier gibt es nirgends ein Radio. Bist du sicher, dass alles in Ordnung ist mit dir?«
    »Alles bestens«, lügt James beherzt. »Mach ruhig weiter mit den … äh … den Kosten.«
    Ich lege eine Pause ein, um tief Luft zu holen, damit ich der letzten Zeile auch genügend Respekt erweisen und mein Publikum mit dem nötigen Elan ins Cabareeeeeeeet bitten kann. Bingo. Erfolg.
    Grün im Gesicht springt James auf, rast zur Tür, reißt sie auf und horcht angestrengt. Sieht ein bisschen aus wie schlechte Schauspielerei, nur lustiger. Zum Spaß bin ich eine Weile still, denn ich will diesen Mistkerl ja möglichst effektiv auf die Folter spannen.
    »Hallo?«, ruft er die Treppe hinauf. »Ist da jemand?«
    Schweigen.
    Declan kommt angelaufen. Inzwischen macht er sich echt Sorgen. »Hier ist niemand, Mann«, sagt er und führt James sanft zurück in den Konferenzraum. »Hannah holt gerade Kaffee, hast du das schon vergessen? Weißt du nicht mehr, wie sie gefragt hat, ob du irgendwas möchtest? Gerade vorhin hast du mir ihr gesprochen. Erinnerst du dich? Bitte sag ja.«
    Ulkigerweise spricht Declan mit James wie mit einem armen Irren. Ha!
    »Ich hätte schwören können, dass ich …«, stammelt James verwirrt.
    »Vollkommen verständlich«, beruhigt Declan ihn mit fester Stimme.
    »Nein, du verstehst mich nicht …«
    »Doch, doch, ich verstehe dich. Ich denke, du hast eine schreckliche Zeit hinter dir, und vielleicht solltest du lieber nach Hause gehen und dich hinlegen. Ich krieg das hier alleine hin. Hör auf mich. Geh nach Hause. Schlaf ein bisschen. Ruh dich aus. Entspann dich. Ich hab alles unter Kontrolle.«
    »Auf gar keinen Fall, Mann«, protestiert James und schiebt Declan zurück in den Konferenzraum. »Ich lass dich nicht im Stich, schon gar nicht, nachdem ich dich heute Morgen versetzt habe. Das wäre nicht fair. Ich sag dir doch, ich bin okay. Ich hab nur gedacht … dass ich eine Stimme gehört habe, weiter nichts.«
    Declans sorgenvolles Gesicht spricht Bände. »Du hast eine Stimme gehört?«
    James schaut ihn an, als würde er sich überlegen, ob er es eingestehen soll oder lieber nicht.
    »Ja. Charlottes Stimme«, sagt er schließlich verlegen.
    »Aha.« Declan seufzt.
    »Und auch nicht zum ersten Mal. Heute Vormittag hab ich sie auch schon gehört.«
    »Weißt du, ich kann mir ja kaum vorstellen, was du zurzeit durchmachst, Mann, aber ich denke, du bist einfach zu früh wieder zur Arbeit gekommen. Warum nimmst du dir nicht lieber noch ein bisschen frei? Oder redest mal mit einem Fachmann?«
    Schon die kleinste Andeutung,

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