Einmal rund ums Glück
bis zu den Ellenbogen hochgeschoben hat, so dass man seine olivbraunen Unterarme sieht. Sein schwarzes Haar ist länger als bei unserem ersten Kennenlernen und fällt ihm in die Augen. Ich sehe ihn an, und er schiebt die Schale in meine Richtung.
»Wie fühlst du dich, wenn du ans nächste Rennen denkst?«, frage ich.
»Gut. Der Wagen ließ sich in Singapur einfach nur traumhaft fahren, also …«
»Ich drück dir die Daumen für Japan. Und danach ist Brasilien dran.«
Luis nickt.
»Dein Heimspiel. Kommt deine Familie?«
Er schmunzelt. »Wenn wir genug Platz für alle finden.«
Plötzlich fällt mir wieder etwas ein. »Hörst du vor dem Rennen eigentlich Musik, um dich psychisch darauf vorzubereiten?«
»Ja«, antwortet er zögernd.
»Ich habe dich mit Ohrstöpseln gesehen«, erkläre ich. »Welche Musik hast du gehört?«
»Ich glaube, es war was von den
Chemical Brothers
.«
»Dann hat es ja gewirkt. Du hast gewonnen.«
»Das lag nicht nur an der Musik, Daisy.« Er sieht mir fünf lange Sekunden in die Augen, dann trinkt er wieder einen Schluck Wein. »Was ist mit Holly?«, fragt er. »Du hast mir gar nicht erzählt, warum es ihr in Singapur so schlechtging.«
»Nein«, erwidere ich zögernd. »Sollte ich wohl auch besser nicht.«
»Dann ist es wohl top secret?«
Ich wäge ab, unentschlossen. Ich weiß, dass er es für sich behalten würde, aber würde es Holly stören? Wahrscheinlich … »Nicht unbedingt. Ich vertraue dir.«
Er verschränkt die Arme vor sich auf dem Tisch.
»Catalina ist schwanger.«
»Echt?« Luis reißt die Augen auf. Ich erzähle ihm, was ich weiß.
»Ich muss dir auch ein Staatsgeheimnis verraten«, sagt er schließlich, als das Thema ausdiskutiert ist.
Neugierig sehe ich ihn an. »Und was?«
»Mir ist ein Platz in einem anderen Team angeboten worden.«
»Nein!« Mein Mut sinkt. »Bei welchem?«
Er sagt, es sei das Team, für das Kit Bryson fährt. Der Vertrag seines Teamkollegen Emilio Rizzo ist ausgelaufen, und da Rizzo in der gesamten Saison den Erwartungen nicht gerecht geworden ist, wurde er rausgeworfen. Der Presse wird man allerdings sagen, es sei seine eigene Entscheidung gewesen, sich aus der Königsklasse zurückzuziehen. Rizzo ist schließlich schon fünfunddreißig.
»Aber das ist doch so ungefähr das beste Team, oder?«
Luis nickt ernst. In den letzten drei Jahren hat der Rennstall die Meisterschaft geholt. Unserer schafft es meistens nicht über den vierten oder fünften Platz hinaus.
»Und, nimmst du an?«
»Die bieten deutlich mehr Geld«, sagt Luis beiläufig, und es klingt nicht überheblich. »Aber ich weiß nicht. Irgendwie fühle ich mich Simon verpflichtet – obwohl er mich in Italien rausgeworfen hätte, wenn ich nicht besser gefahren wäre … Ach, ich weiß nicht so recht …«
»Ich glaube, die Arbeit würde mir nicht so viel Spaß machen, wenn du nicht mehr dabei wärst«, sage ich leise und ziehe die Nase kraus.
Luis schmunzelt und tätschelt meine Hand. »Also,
du
, meine Zuckerschnecke, solltest dich auf einer Restaurantfachschule anmelden, dann würdest du mich nicht vermissen müssen.«
Ich lache. »Aber dann würde ich dich erst recht vermissen, weil ich dich ja nie mehr sehen würde!«
Ich bin leicht beschwipst von all dem Wein. Der Alkohol macht mich ziemlich emotional.
»Ooh!«, macht Luis und grinst mich an. »Wenn ich mir vorstelle, dass du mir fast einen Kratzer in den Ferrari gefahren –«
»Du hast mich fast umgenietet, du Blödmann!«, rufe ich scherzhaft. »Und du hast mich ›dumme Kuh‹ genannt.«
»Das stimmt nicht!« Er guckt entsetzt.
»Hast du wohl.«
»Nein, oder?«
»Doch.«
»Das ist furchtbar. Es tut mir leid«, sagt er schnell.
»Hm. Irgendwann verzeihe ich dir vielleicht.«
Wir scherzen eine weitere halbe Stunde herum, bis Luis fragt, ob ich Hunger habe.
»Ein bisschen schon«, erwidere ich.
»Wir können die Straße runtergehen zum Chinesen?«
»Ja, das wäre nett.«
»Gut, ich hol eben meine Jacke.«
Ich gehe in den Flur und sehe zu, wie er im Schrank unter der Treppe herumsucht und schließlich eine schwarze Bikerjacke herausholt. Ich stecke den Kopf durch die Tür und werfe einen kurzen Blick ins Wohnzimmer. Ein großes Erkerfenster zeigt auf den Vorgarten. Draußen ist es inzwischen dunkel, doch ganz kurz stelle ich mir vor, wie ich in dem weißen Designersessel im Erker sitze und im Sonnenlicht einen Espresso trinke. Ich schüttle den Kopf. Muss am Alkohol liegen.
»Fertig?«,
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