Einmal rund ums Glück
wie Luis den Wein in riesengroße Gläser schenkt. »Eine Dame aus der besseren Gesellschaft gab ein edles Mittagessen für dreißig ihrer engsten Freundinnen. Ist schon krass, dass einen solche Veranstaltungen viel mehr ermüden, als dreihundert Personen zu versorgen.«
»Ich weiß echt nicht, wie du das schaffst.«
Ich antworte nicht.
»Macht es dir Spaß?« Luis setzt sich mir gegenüber an die Theke.
»Ich wäre lieber hinten und würde kochen.«
»Echt?«
»Ja.«
»Das wusste ich nicht.«
»Ich wollte nicht schon immer Zuckerschnecke werden, weißt du?« Ich sehe ihn an, zwinkere, und er grinst zurück.
»Warum arbeitest du denn nicht in der Küche?«
»Frederick lässt mich nicht. Er will mich im Service haben.« Ich seufze. »Liegt wahrscheinlich daran, dass ich keine richtige Ausbildung habe, also verständlich.«
»Warum kümmerst du dich nicht um eine richtige Ausbildung?« Luis sieht mich fragend an.
»Hm … weiß nicht. Hab ich noch nie richtig drüber nachgedacht.«
Luis trinkt einen Schluck Wein, und ich schaue nachdenklich in die Ferne. Warum habe ich mich nicht an der Restaurantfachschule beworben? In New York habe ich meinem Vater damit gedroht, aber es nie ernsthaft in Erwägung gezogen …
»Egal, was hast du so getrieben?«, wechsel ich das Thema.
»Nicht viel. Hab hier rumgehangen.«
»Wann hast du dir dieses Haus gekauft? Es ist total schick.«
»Anfang des Jahres, kurz nachdem ich den Vertrag unterschrieben habe.«
»Das muss ein Vermögen gekostet haben«, überlege ich laut.
»Ist noch eine ziemlich dicke Hypothek drauf. Ich müsste schon mehrere Jahre in der Formel 1 fahren, ehe ich mir leisten könnte, ein Haus wie dieses komplett zu bezahlen.«
»Sorry, war ein bisschen unhöflich von mir.«
»Schon gut«, unterbricht er mich. »Ist ja nicht so, als wärst du hinter dem Geld her, oder?«
»Kommt das oft vor? Dass du Frauen kennenlernst, die nur was von dir wollen, weil du stinkreich bist?«
Luis bricht in Lachen aus. »Ich denke, sie wollen was von mir, weil ich so umwerfend gut aussehe.«
»Und weil du so bescheiden bist.«
»Ist dir das denn schon mal passiert?«, will Luis wissen.
»Was? Dass ein Mann was von mir will, weil ich so umwerfend schön bin?«
»Ja, das auch.« Er zwinkert mir zu. »Nein, weil dein Vater so reich ist.«
»Nee, die Jungs, mit denen ich mich früher rumgetrieben habe, hatten alle selbst säckeweise Geld. Und dann kam Johnny Jefferson. Ebenfalls mit dem nötigen Kleingeld.«
»Und trotzdem wohnst du in dem kleinen Apartment auf der Camden Road …«
»Wohnte!«, korrigiere ich ihn und muss kurz daran denken, wie er mich dort zur Beerdigung abholte. »Fehlt mir noch immer.«
»Warum?«
»Es war klein, aber mein. Sicher, es hat mir nicht wirklich gehört, aber trotzdem war es die erste und einzige Wohnung, die ich ganz für mich hatte.«
Luis nickt. »Ich bin in einem kleinen Haus aufgewachsen, habe mir das Zimmer mit vier Brüdern geteilt und konnte es nicht abwarten, endlich von dort zu verschwinden.«
»Ich dachte, du stehst deiner Familie nahe!«
»Ja, sicher. Aber das war dann doch zu nah.«
Ich lache. »Und jetzt wohnst du hier ganz allein in diesem riesigen Haus.«
»Mach mich ruhig fertig, ja?«
»Das war ein Witz! Gefällt es dir denn nicht? Doch, oder?«
»Hm, es ist ziemlich groß. Aber ehrlich gesagt, bin ich nicht gerne alleine.«
»Du hast doch bestimmt keine Schwierigkeiten, eine willige Frau zu finden, die du mit hernehmen kannst«, sage ich ironisch, und Luis verdreht die Augen.
»Ich habe noch niemanden mit hergenommen, wenn du es unbedingt wissen willst.«
»Ehrlich nicht?« Ich schaue ihn überrascht an.
»Ehrlich nicht.« Er zuckt mit den Achseln.
Irgendwie ist mir das total sympathisch. Die Vorstellung, dass noch keine andere Frau ihre Duftmarke in diesem Haus hinterlassen hat … nicht so wie Laura bei Will.
Da geht es schon wieder los. Ich muss aufhören, die beiden miteinander zu vergleichen.
Hätte er sich wirklich von Laura getrennt?
Oder hätte er sich auf ein Techtelmechtel mit mir eingelassen und wäre dann zu ihr zurückgekehrt?
Hör auf damit! Hör auf, dich zu quälen!
Luis beugt sich über den Tisch und schenkt mir Wein nach, dann steht er auf und geht zum Schrank. Ich beobachte, wie er eine Packung gerösteter Cashewkerne herausholt und sie in eine Schale gibt. Heute Abend sieht er – darf ich das sagen? – sehr sexy aus. Er trägt ein graues Sweatshirt, dessen Ärmel er
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