Einmal rund ums Glück
schält sich aus ihrem Sessel. Sie eilt fort und kommt mit mehreren Pfannen zurück, während wir ihr ahnungslos zusehen.
»Diese Wände!«, sagt sie verzweifelt.
Wasser läuft durch einen Spalt in der hinteren Wand.
»Passiert das öfter?«, fragt Will. Wir eilen Nonna zu Hilfe und stopfen Lumpen zwischen die nackten Steine.
Nonna antwortet auf Italienisch. Ich übersetze: »Jedes Mal, wenn sie es reparieren lässt, sucht sich das Wasser einen neuen Weg. Sie müsste das ganze Haus renovieren.«
»Kostet das viel?«, frage ich Nonna.
»Zu viel«, erwidert sie. »In meinem Alter lohnt es sich nicht mehr.«
»Nonna!«, rufe ich. »Natürlich lohnt es sich. So kannst du doch nicht leben!«
»Das ist in Ordnung«, wiegelt sie ab. »Das ist kein Problem.«
»Natürlich ist das ein Problem. Das sehen wir doch. Ich kann dir helfen, ich habe Geld gespart.«
»Nein, auf gar keinen Fall!«, herrscht sie mich an. Für ihre zweiundachtzig Jahre ist sie ein zähes altes Stück.
»Was hast du gesagt?«, fragt Will.
»Nichts«, gebe ich zurück, als ich das Gesicht meiner Großmutter sehe. Sie würde nicht wollen, dass Will sie bemitleidet.
Wir wischen das restliche Wasser auf und verteilen die Töpfe und Pfannen strategisch auf dem Fußboden, um alle Tropfen aufzufangen.
Schließlich sagt Nonna zu Will: »Sie können nicht fahren.«
»Das geht schon«, sagt er.
»Sie bleiben hier auf dem Sofa.«
»Nein, nein, das geht schon«, lacht Will.
»Das ist nicht zum Lachen!«, schimpft Nonna, und Will wird schnell ernst. »Mein Mann Carlo ist auf diesen Straßen gestorben.«
Moment mal, ich dachte, Nonno hätte einen Herzinfarkt gehabt!
»Oh, das tut mir unheimlich leid.« Will macht ein zerknirschtes Gesicht.
»Sie bleiben hier. Sie können morgen früh fahren, wenn das Gewitter vorbei ist.«
Wieder dröhnt der Donner durch die Wände.
»Sag du es ihm!«, befiehlt sie mir. »Er fährt nicht bei so einem Wetter.«
»Du hast doch eben selbst gesagt, am liebsten würdest du ein paar Tage hier bleiben …« Flehend schaue ich Will an.
»Stimmt. Eigentlich dürfte das keine Probleme geben … Ist Ihnen das auch wirklich recht?«, fragt er Nonna.
»Aber sicher!«
»Ich müsste Simon anrufen und ihm sagen, dass ich nicht im Hotel schlafe.« Er holt sein Handy hervor.
»Hier oben gibt es leider keinen Empfang. Möchtest du das Festnetz benutzen? Darf Will dein Telefon benutzen, Nonna?«
»Natürlich«, antwortet sie.
»Super. Ich möchte nicht, dass Simon sich Sorgen macht.«
Ich zeige ihm das Telefon in der Küche und kehre ins Wohnzimmer zurück, wo Nonna bereits mit Decken und Laken ein Bett bereitet. Kurz darauf kommt Will wieder herein.
»Erledigt?«, frage ich.
»Simon ging nicht dran, aber ich habe eine Nachricht an der Rezeption hinterlassen.«
»Ich muss jetzt ins Bett«, unterbricht Nonna uns und sammelt die Espressotassen ein. »Ich höre mir noch eine Sendung im Radio an. Gute Nacht!«, sagt sie zu Will.
»Gute Nacht! Und noch mal vielen Dank.«
»Gern geschehen.« Wir sehen ihr nach.
Ich schaue Will an. »Wenn du willst, kann ich Holly für dich anrufen. Nur für den Fall, dass Simon deine Nachricht nicht bekommt.«
»Ach, das passt schon.«
»Ist wirklich kein Problem für mich.«
»Na, gut. Nur um auf Nummer Sicher zu gehen.«
Aber auch in Hollys Hotelzimmer meldet sich niemand.
»Sind wahrscheinlich alle unterwegs und lassen sich volllaufen«, meint Will.
Ich setze mich in Nonnas leeren Sessel, weil es mir komisch vorkommt, mich neben Will auf sein provisorisches Bett zu kuscheln. Wir verstummen und lauschen dem Regen, der gegen die Fenster prasselt. Die Berge liegen im Dunkeln, es ist kühl im Haus. Ich schaudere.
»Ist dir kalt?«, fragt Will.
»Ein bisschen.«
»Willst du eine Decke von mir?«
»Nein, schon gut«, wiegel ich schnell ab. »Ich hole schnell eine von meinen eigenen.« Ich gehe in mein Zimmer und nehme Nonnas Quilt mit. Da fällt mir die Flasche Rotwein aus dem Duty Free ein, die ich auf dem Hinflug am Flughafen gekauft habe. Spontan hole ich sie aus meinem Schrank und stecke den Kopf durch die Wohnzimmertür.
»Lust auf ein Glas Rotwein?«, frage ich Will und halte die Flasche hoch.
Er setzt sich auf. »Ja klar.«
Ich stelle die Flasche auf den Tisch und lege den Quilt in den Sessel. »Ich hole nur kurz zwei Gläser«, sage ich und bin kurz darauf wieder da. Will hat auf Nonnas Hausbar bereits einen Korkenzieher gefunden, ein Relikt aus den Tagen, als sie sich
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