Einmal rund ums Glück
kann ich mich nicht entspannen. In der Bar, in der wir landen, ist jede Menge los, aber ich will nichts anderes, als Will auf seine Bemerkung ansprechen. Irgendwann halte ich es einfach nicht mehr aus.
»Ich gehe nach Hause«, sage ich zu Holly, die ständig mit ihrem Handy beschäftigt ist.
»Ja?«, sagt sie zerstreut und klappt den Apparat zu. »Meine Mutter«, erklärt sie. »Will wissen, wann ich sie wieder in Aberdeen besuche.«
»Ach so.«
»Bist du weg?«, fragt sie.
»Wenn es dich nicht stört.« Eigentlich wundere ich mich, dass sie mir nicht die Leviten liest.
»Nee, kein Problem«, sagt sie. »Die Jungs sind ja da.«
»Wenn sie dich überhaupt wahrnehmen.« Ich nicke in Richtung der Jungs, die den Blick nicht von der Bühne abwenden können, wo sich eine Bauchtänzerin verbiegt.
Holly lacht nur. »Bis später«, sagt sie und steuert auf die Kollegen zu.
Ich gehe nach draußen und steige in eine unserer Großraumtaxen, die dort auf uns warten. Westlichen Frauen wird hier nicht empfohlen, auf eigene Faust durch die Viertel zu laufen, weshalb Simon angewiesen hat, dass uns immer ein Transportmittel zur Verfügung steht.
Aus dem Autofenster schaue ich auf die Stadtsilhouette mit ihren Kuppeln, während die Sonne leuchtend orangerot über den Moscheen Istanbuls untergeht. Mir ist bewusst, dass ich etwas Schönes vor mir sehe, doch ich bin zu sehr in Gedanken versunken, um den Augenblick zu genießen.
Zurück im Hotel weiß ich nicht, was ich mit mir anfangen soll. Ich gehe an die Bar, auf die geringe Chance hin, dass Will dort sein könnte, doch er ist nicht da. Frederick gönnt sich ein ruhiges Glas mit Klaus, deshalb schlüpfe ich schnell wieder heraus, ehe sie mich entdecken und in ein Gespräch verwickeln. Ich drücke die Taste für den Fahrstuhl, und als ich im Lift stehe, drücke ich den Knopf, der mich auf mein Stockwerk bringt. Dann sehe ich die Ziffer von Wills Etage und drücke spontan ebenfalls darauf. Als ich in meinem Stockwerk ankomme, trete ich von einem Fuß auf den anderen und warte, bis sich die Türen wieder mit einem
Wusch!
schließen und der Aufzug weiter noch oben fährt. Auf Wills Etage zögere ich einen Moment. Als die Türen zugehen, springe ich hinaus. Bevor ich es mir anders überlegen kann, gehe ich zu seiner Suite. Ich bleibe davor stehen und lausche. Ist das der Fernseher? Nein, das Geräusch kommt aus dem Zimmer nebenan. Soll ich klopfen? Wenn er nicht da ist, ist es ja egal.
Klopf, klopf, klopf.
Ich warte. Und warte. Dann klopfe ich erneut.
Was mache ich hier eigentlich? Gerade will ich weggehen, da öffnet sich die Tür. Will steht in T-Shirt und Boxershorts vor mir. Sein Haar ist ganz zerzaust. Offensichtlich habe ich ihn gerade geweckt.
Cazzo
, ist das peinlich!
»Daisy?«, fragt er verschlafen.
»Ähm, hi. Sorry, weiß gar nicht, was ich hier will. Ich war eben mit Holly unterwegs, und –«
»Komm rein!«, unterbricht er mich.
»Tut mir leid, ich wusste nicht, dass du schon schläfst. Wie spät ist es denn?«
»Keine Ahnung.«
»’tschuldigung«, sage ich.
»Schon gut«, erwidert er.
»O Mann, sorry, du hast ja morgen das Qualifying!«
»Hör auf, dich zu entschuldigen«, lacht er. »Setz dich!« Er führt mich zu einem von zwei üppigen Sofas in seiner Suite. Unbehaglich setze ich mich darauf und bedaure abgrundtief, mich so zum Affen zu machen. Ich sehe auf dem DVD -Spieler, wie spät es ist.
»Ach, du liebe Güte, es ist ja schon fast zwölf Uhr! Oh, Scheiße, Will, es tut mir echt leid! Ich gehe jetzt.«
»Daisy! Hörst du jetzt endlich auf? Ich ziehe nur eben eine Jeans an.«
»Gute Idee.« Unwillkürlich schiele ich auf seine weiße Calvin-Klein-Boxershorts und wende den Blick schnell wieder ab.
Er geht ins Schlafzimmer und kommt kurz darauf zurück.
»Möchtest du was trinken?«
»Ähm, nee, schon gut.«
Will geht an die Minibar und holt sich eine Cola heraus, dann lässt er sich auf das andere Sofa fallen. Er reißt die Dose auf und trinkt einen Schluck.
»Willst du wirklich nichts trinken?« Er bietet mir die Dose an.
»Nein, danke.«
Schweigen.
»Was willst du eigentlich hier?«, fragt er.
»Was du heute Abend gesagt hast … Wegen meines Vaters … Warum hast du mich das gefragt?«
»Ach so!« Langsam dämmert ihm, um was es geht.
»Wie hast du das herausgefunden?«
Er nimmt noch einen Schluck, lässt sich dann noch tiefer ins Sofa sacken und mustert mich neugierig über den Couchtisch hinweg. »Ich habe dich
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