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Einmal rund ums Glück

Einmal rund ums Glück

Titel: Einmal rund ums Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paige Toon
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einen Mann von Mitte vierzig mit einem braun-weißen Springerspaniel vorbeigehen.
    »Ich habe meinen Freund verloren«, höre ich mich sagen.
    »Keine Sorge«, erwidert er. »Der kommt wieder zurück.«
    Ich nicke, lächle und lasse ihn weitergehen. Wie in Trance starre ich vor mich hin.
    Ich weiß nicht, wie spät es ist. Die Beerdigung wird inzwischen vorbei sein. Ich suche mir jetzt besser eine Bushaltestelle. Aber ich will nicht zurück in meine Wohnung. Ich will nicht zu Holly. Ich will nicht hier sein. Ich will nirgends sein.
    Ich habe niemanden. Niemanden. Keinen.
    Mein Telefon summt. Es klingt fern, weit fort. Wie in Trance hole ich es aus der Tasche, drücke auf die grüne Taste und nehme das Gespräch an. Ich sage nichts, halte das Gerät nur ans Ohr und lausche schwer atmend.
    »La mia stellina!«
    Mein kleiner Stern. Es ist Nonna.
    Da kommen die Tränen wieder.
    »Ach, mein kleines Schätzchen. Ich weiß, ich weiß … ich habe darauf gewartet, dass du dich meldest.« Ich schluchze in die Leitung, ohne mich beruhigen zu kennen. Meine Großmutter versucht mich zu besänftigen.
    »Woher hast du meine Nummer?«, frage ich schließlich. Außer den Kollegen bei der Arbeit habe ich sie niemandem gegeben.
    »Ich habe dich über deinen Chef im Hauptquartier aufgespürt«, erklärt sie. »Bist du noch in England?«
    »Ja«, erwidere ich und versuche, zu Atem zu kommen.
    »Hast du mit deinen Eltern gesprochen?«
    »Nein.« Verzweifelt stütze ich meinen Kopf mit der Hand und klemme das Handy an mein Ohr. Die Wurzeln am Fuße des Baumes bohren sich in meinen Rücken.
    »Deine Mutter hat mich angerufen«, sagt Nonna.
    »Wirklich?«
    »Sie kann dich nicht erreichen.«
    Das war meine Absicht; deshalb hat sie meine Nummer nicht.
    »Hast du dich mal bei ihr gemeldet?«, fragt Nonna.
    Ich antworte nicht.
    »Solltest du mal tun«, fährt sie fort. »Sie möchte wissen, wie es dir geht.«
    Meine Tränen versiegen.
    »Was hast du jetzt vor?«, fragt Nonna.
    Ich schaue mich um, sehe den grünen Park, den nahen Fluss, und plötzlich ist es mir sonnenklar.
    »Ich denke, es ist Zeit, nach Hause zu gehen«, erwidere ich.

Kapitel 19
    Das gelbe Taxi hält vor einem hoch aufragenden Gebäude an der Fifth Avenue. Ich bezahle den Fahrer und versichere ihm, dass ich keine Hilfe beim Gepäck brauche. Ich habe nur einen Koffer – den Rest habe ich bei Holly gelassen, die mir versprach, später alles nachzuschicken. Kaum habe ich mich über den Kofferraum gebeugt, eilt mir der unter dem vergoldeten Vordach wartende Portier auch schon zu Hilfe. Er holt den Koffer heraus. Als er mich erkennt, prallt er erschrocken zurück.
    »Miss Rogers! Ich habe gar nicht mit Ihnen gerechnet!«
    »Keine Sorge, Barney, das hat keiner«, beruhige ich ihn und gehe ihm voran in die marmorverkleidete Lobby. Er eilt mir nach. »Sie brauchen nicht mitzukommen, Barney. Danke«, sage ich, als ich den Fahrstuhl erreiche. Er will protestieren, will mich begleiten, doch ich gebe ihm deutlich zu verstehen, dass es nicht nötig ist. Ich trete in den Lift und schiebe den Schlüssel in den Schlitz auf dem Bedienfeld – der einzige vorhandene –, und die Aufzugtüren schließen sich. Stockwerk um Stockwerk huscht vorbei, bis ich schließlich ganz oben ankomme. Das Penthouse. Als sich die Türen vor mir öffnen, höre ich die Sprechanlage summen und weiß, dass Barney noch schnell meine Eltern von meiner Ankunft unterrichten will, doch ich komme ihm zuvor, und das Gesicht meiner Mutter, als ich die Wohnung meiner Eltern – mein ehemaliges Zuhause – betrete, ist es auf jeden Fall wert.
    »Hallo, Mutter«, sage ich, als ich die Taschen auf dem weichen cremefarbenen Teppich abstelle.
    Sie lässt den Hörer der Sprechanlage fallen, er baumelt an seinem Kabel und schlägt gegen die Wand. »Daisy!«, ruft sie erschrocken.
    Meine Mutter ist eine gutgekleidete Frau von Ende vierzig. Ihre Kleidung ist maßgeschneidert, eigens für sie angefertigt von den besten Designern der Welt, und ihr dunkles Haar ist mit blonden Strähnen durchzogen und sorgfältig frisiert. Ich komme nach meiner Mutter und ihrer Seite der Familie, auch wenn man ihr kaum noch ansieht, dass sie Italienerin ist. Ihre früher olivbraune Haut ist hell geworden, weil sie die Sonne meidet und zu viel Puder aufträgt. Seit ich sie vor drei Jahren zum letzten Mal gesehen habe, ist sie nicht älter geworden. Liegt wahrscheinlich am Botox.
    »Häng den besser ein«, sage ich und weise auf den Hörer.

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