Einmal scheint die Sonne wieder
dürfen nicht lachen. Patienten dürfen nicht singen. Patienten müssen still liegen. Patienten dürfen nie aus dem Bett langen. Patienten müssen sich ruhen. Patienten müssen…“ Ich war zum Baden fertig, unterbrach sie daher und fragte, ob ich etwas kaltes Wasser in die dampfende Wanne lassen dürfe, oder ob es Vorschrift sei, daß die Patienten gekocht würden. Sie sah mich mit der ganzen Härte ihrer Granitaugen an und ließ etwas kaltes Wasser in die Wanne.
Während ich badete, packte sie meine Koffer aus, hielt jedes Stück verächtlich mit zwei Fingern hoch und sagte: „Warum haben Sie das mitgebracht?“ Ich antwortete der Wahrheit gemäß, daß ich gedacht hätte, manches davon, zum Beispiel ein weiteres Wolljäckchen, würde ich brauchen; daß ich andere Dinge, etwa einen kleinen Nähkasten von Anne und einen Kalender mit verkehrt herum aufgeklebtem Bild, den Joan gemacht hatte, ein paar Parfümbeutelchen und einen kleinen Kaktus als Erinnerung an daheim mitgebracht hätte.
Sie tat das alles ohne Kommentar in den Koffer zurück, aber als sie auf eine Flasche mit Hustenmedizin und die Schachtel mit Aspirin stieß, explodierte sie. „Ohne Erlaubnis des Arztes dürfen Patienten niemals Medikamente nehmen. Kein Patient im Sanatorium hat jemals Medikamente irgendwelcher Art bei sich. Niemals dürfen Patienten sich selbst Medikamente aussuchen. Dies,“ sie hielt die Hustenmedizin und das Aspirin in die Höhe, als seien es Hausmittel gegen Syphilis und zur Abtreibung, „muß zurückgeschickt oder vernichtet werden. Die Jacken hier, die Bettjäckchen, alle Ihre Kleider, Bücher, Ihr Schreibzeug und die Taschentücher (für letzteren, von einer schmutzigen Angewohnheit zeugenden Gegenstand hatte sie eine abgrundtiefe Verachtung) müssen desinfiziert und nach Hause geschickt werden.“
Nachdem ich gründlich gescheuert war und krebsrot von dem kochenden Wasser, das meiner Meinung nach mindestens zu einem Drittel aus Desinfektionsmitteln bestand, wurde mir befohlen, meinen Schlafanzug anzuziehen und mich an das Waschbecken zu begeben. Obwohl ich wußte, daß es umsonst sein würde, sagte ich Granitauge, daß meine Haare am Vormittag schon zweimal gewaschen seien, einmal vor und einmal nach der Dauerwelle.
Sie betrachtete sich gleichgültig mein Haar, das sorgfältig in kurzen Löckchen dicht um den Kopf gelegt war, und sagte: „Im Sanatorium ist es Vorschrift, daß allen ankommenden Patienten die Haare gewaschen werden.“ Mit Hilfe von viel grüner Seife, ihren eigenen kräftigen Händen und wiederum kochendem Wasser machte sie sich daran. „Wenigstens hat sie mich nicht gelaust,“ dachte ich verbittert, als sie den Föhn vorzog. Er war sehr heiß und stark genug, jedem Baum im Umkreis von fünfzig Metern das Frühlingsgrün herunterzublasen.
Als mein Haar knochentrocken war, drückte mir die Schwester einen Spiegel und einen Kamm in die Hand. Nach dem ersten Blick auf meinen wilden Kopf hätte ich den Kamm am liebsten in lauter kleine Stücke zerbrochen und die über meine Schulter geworfen. Ich fuhr ein paarmal vergeblich durch, aber es war genau so, als versuchte ich, einen Distelstrauch durchzukämmen und glattzulegen. Die Schwester enthielt sich jeden Ratschlags. Sie packte die Badesachen fort, fuhr mich dann den Flur hinunter und in ein Vierbett-Zimmer.
Es war groß und quadratisch. Die Wände hatten ein blasses Oscar-Wilde-Grün. Der Fußboden war dunkelrot. An der Ostwand des Raumes befanden sich vier weit geöffnete Fenster, ohne Vorhänge, ohne Läden. In jeder Ecke stand ein Bett, ein Nachttisch und ein Stuhl. Jedes Bett hatte über dem Kopfende einen weißen Musselin-Himmel, Windschutz genannt, ein weißes Baumwoll-Überschlaglaken und am Fußende eine zusammengefaltete dunkelgrüne Decke. Die Nachttische hatten weiße Porzellanplatten. In drei Betten lagen Patienten. Das vierte, in der Südostecke neben den Fenstern, wurde für mich herunter gestellt.
Die Schwester half mir aus meinem Bademantel und schob mich ins Bett. Als ich nach dem brühend heißen Bad und den glühenden Windstößen des Föhns jetzt meine Beine in die feuchten Tiefen des Bettes hinunterstreckte, war das, als zöge ich einen nassen Badeanzug an. Ich bat um meine Wärmflasche. Die Schwester hatte sie gerade zusammen mit meinen sauberen Schlafanzügen und den Waschlappen in ein Fach des Nachttisches getan. Sie nahm sie nicht heraus und antwortete nicht.
Sie legte Körperpuder, Seife, Zahnpasta und Zahnbürste in die
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