Einmal scheint die Sonne wieder
Schwestern mit den Frühstückstabletts.
Das Frühstück, um 7 Uhr 30, bestand aus einer halben Pampelmuse, Haferbrei und Sahne, Toast, gekochten Eiern und Kaffee. Es war sehr gut und sehr kalt. Die Oberschwester, die das Essen austeilte, sagte: „Sie können so viel Eier bekommen, wie Sie wollen, Mrs. Bard, und entweder harte oder weiche.“ Ich erbat mir zwei hart gekochte, und als sie fort war, flüsterte Marie vernehmlich: „Ein Witz ist das! ,Ganz wie Sie möchten!‘ Alle Eier sind hart, und wenn Sie weniger als zwei essen, behauptet das olle Bohrauge, daß sie nicht mitarbeiten wollen, und sie kriegen einen Mahnbrief vom Chef.“ Sie behauptete außerdem, daß der Kaffee zu fünfzig Prozent aus Salpeter bestünde, und wenn ich keine Schabe auf meinem Tablett fände, wäre das nur Anfängerglück. Sie rümpfte voll Abscheu die Nase, aß einen Bissen von der Pampelmuse, trank zwei Schluck Kaffee und schob das Tablett fort.
Nachdem wir gefrühstückt hatten, ging die Oberschwester durch die Zimmer, sah nach, was wir gegessen hatten, und hörte sich unsere Beschwerden an. Da wir alle so unbeweglich dalagen wie Hefeklößchen in angewärmten Schüsseln, als sie unter der Tür aufkreuzte, war sie sehr freundlich zu uns. Sylvia klagte über Magenschmerzen und Durchfall, Marie über Magenschmerzen und Verstopfung, Kimi schwieg.
Meine einzige Beschwerde war, daß mir kalt sei. Das Frösteln und die feuchte Kälte waren auch durch den lauwarmen Kaffee nicht vergangen. Ich sagte ihr das. Die Oberschwester lächelte milde und meinte: „Am ersten Oktober gibt’s Wärmflaschen.“ Ich fragte: „Könnte ich wohl noch eine Decke haben?“ Sie schlug mein Bett zurück und sali, daß ich zwei Wolldecken und eine Decke für die Nacht hatte. „Ihnen müßte aber warm sein, Mrs. Bard.“ – „Schön wär’s ja, aber mir ist eben nicht warm,“ entgegnete ich. Sie sah mich ein paar Minuten lang mit strengem Blick an, als ob ich mein Blut absichtlich nicht zirkulieren ließe. Dann ging sie fort. Ich verstand jetzt, was Marie mit ihrer Verstopfung gemeint hatte.
Nach ihr kam Charlie noch einmal, um die Betten herunterzustellen und uns von zwei Blutstürzen in der Männerbettenstation zu erzählen. „Ich bin sicher der nächste,“ schloß er düster. Auch ich hatte schon gehört – was ja allgemein behauptet wird –, daß sich Tuberkulosekranke durch einen übertriebenen Optimismus und starken Sexualtrieb auszeichnen. Aus meiner bescheidenen Erfahrung wußte ich, daß Menschen mit starkem Sexualtrieb meist auffallend optimistisch sind; aber mir war noch nicht aufgegangen, warum das charakteristisch für Tuberkulose sei, und als ich Charlie trübsinnig aus der Tür schlurfen sah, wurde es mir auch nicht klarer. Von krankhaftem Optimismus und wilden Begierden war jedenfalls nichts zu merken.
Eine Schwester legte auf jeden Nachttisch ein Thermometer. „Messen Sie sich in einer halben Stunde,“ wies sie mich an. „Schieben Sie das Thermometer unter die Zunge und behalten Sie’s fünf Minuten im Mund.“ Eine andere kam mit Bettpfannen. An der Tür zog eine Parade glücklicher Ein-Monats-oder-mehr-Patienten auf dem Weg ins Badezimmer vorbei. Mit ihren langen Morgenröcken, gemessenen Schritten und ihrem ernsten Gehaben sahen sie wie Brautjungfern aus. Gelegentlich wurde diese Illusion zerstört, wenn eine Schwester einer neuen Patientin auf der ersten Wanderung half oder eine tapfere Person winkte und uns zulächelte. Als die Badezimmerparade vorbei war, maßen wir uns. Die Temperaturen waren niedrig. Eine Schwester fühlte den Puls und sammelte die Thermometer ein. Ich fragte sie, ob morgens alle niedrige Temperaturen hätten, aber sie antwortete nicht. Sah mich nur nichtssagend an und schrieb auf ihrer Karte.
Als sie draußen war, nahm Sylvia Körperpuder, Handtücher, Waschlappen und Seife heraus. Heut sei ihr Badetag, erklärte sie. Wöchentlich einmal durfte man baden, und die Badetage wurden beim Eintritt festgelegt. Monatlich einmal wurde einem das Haar gewaschen, und wenn ich meine immer noch knochentrocknen Haare ansah, war auch das noch zu oft.
Als die Schwester Sylvia in ihren Morgenrock half, sah ich, wie erschreckend dünn sie war; zum erstenmal merkte ich auch, daß ihre Augen viel zu glänzend und wie gerötet ihre Backen waren. Ich hatte ein unangenehmes Gefühl dabei, so als hätte mir jemand einen harten Schlag in die Magengrube versetzt. Ich tastete meinen eigenen Körper ab und fühlte, wie dicht
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