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Einmal scheint die Sonne wieder

Einmal scheint die Sonne wieder

Titel: Einmal scheint die Sonne wieder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betty McDonald
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Vater mit einem ganzen Arm voll gelber Chrysanthemen in Pampelmusengröße, ihre Mutter mit einem Gedicht, aber außerdem mit den Socken, Jäckchen, den Fausthandschuhen und anderen Geschenken, und ihr Bruder George, ein großer, hübscher junger Japaner, mit ein paar Süßigkeiten und sauer eingelegtem Rippespeer, das er selbst aß, weil er fand, daß Kimi zu dick sei.
    Mein Besuch verspätete sich, und Kimis reizende kleine Mutter, die wohl glaubte, daß ich keine Freunde hätte, oder nach meinem Aussehen schloß, daß sie alle nichtsnutzige Eintagsfliegen seien, brachte mir die Hälfte der gelben Chrysanthemen und ordnete sie wunderschön in eine eckige weiße Vase. Sie hatte die gerade auf den Nachttisch gestellt und mit ihrer sanften Stimme „Für Sie“ gesagt, als Granitauge hereinkam, um die Wassergläser zu füllen. „Patienten dürfen keine Blumen auf ihren Nachttischen haben,“ damit pflanzte sie die Vase auf den Boden.
    Dann sagte sie: „Patienten dürfen sich nicht mit dem Besuch der Mitpatienten unterhalten, Mrs. Bard. Wenn Sie gegen die Vorschriften verstoßen, wird Ihnen die Besuchserlaubnis entzogen.“ Da Kimis Mutter nur sehr wenig Englisch sprach und offensichtlich nicht verstanden hatte, was die Schwester sagte, lächelte sie, verneigte sich zu Granitauge und sagte: „Danke schön, heut ist ein herrlicher Tag.“ Kimis Bruder, der die Szene beobachtet hatte, drehte sich um und sagte zu Kimi und ihrem Vater etwas auf japanisch. Alle lachten. Granitauge stolzierte aus dem Zimmer, aber ihr Rücken sah verlegen aus.
    Gerade in diesem Augenblick kamen Mutter, Mary und ihr Mann, Jim, herein. Jim schritt zielbewußt auf mein Bett zu und teilte mir im ersten Augenblick den gesamten Gesprächsstoff aus, den er auf Lager hatte. „Gut siehst du aus,“ meinte er. Die restliche Zeit der zwei Stunden brachte er damit zu, daß er sehnsüchtig aus dem Fenster guckte oder mich von verschiedenen Punkten aus betrachtete, wie einen Bauplatz.
    Mary brachte mir einen großen Strauß buttergelber Chrysanthemen mit blaßgrünem Boden, Mutter eine Bettlampe und einen Nachttischbeutel (Mary hatte eine alte Freundin und frühere Patientin vom Fichtenhain ausgegraben, und die hatte ihr gesagt, daß ich diese Sachen zuerst brauchen würde), außerdem einen Kasten mit frischen, noch warmen Keksen. Sie waren so gespannt, alles mögliche über die Anstalt, und ich so gespannt, alles von zu Hause zu erfahren, daß die zwei Stunden wie im Nu vorbei waren. Unmittelbar bevor sie gingen, sagte Jim: „Man weiß noch sehr wenig über die Tuberkulose. Wie ist das Essen hier?“ Ich erzählte ihm, daß es ausgezeichnet sei, und er meinte: „Na, das ist doch schon etwas.“
    Als Charlie kam, um die Betten hochzustellen, sagte er: „Hört mal, ich hab eure zwei Freundinnen hinten gesehen. Die liegen in einer Zelle zusammen, aber allzu gut sehen sie mir nicht aus. Ich glaub kaum, daß die zwei jemals hier rauskommen. Vielleicht schicken sie sie zum Sterben nach Haus, das kann natürlich sein, aber anders kommen die nie hier raus.“ Kimi sagte: „Charlie, ich glaub, Sie sind hier an der verkehrten Stelle. Sie sollten als Beschäftigungstherapie eine Arbeit im Leichenhaus kriegen.“ Das rief aus einem unerfindlichen Grunde wahre Lachsalven bei ihm hervor.
    Sonntag abend nach dem Essen ging das Lagermädchen herum und nahm Bestellungen entgegen. Als Lagermädchen wurden Patientinnen ausgesucht, die schon auf sein durften, aber nur solche, die volles Vertrauen besaßen, denn sie nahmen auch von den Männern Bestellungen ein. Diese hieß Velma Martin, trug eine purpurrote Plaidjacke und eine Stahlbrille und hatte außer ihrer Zuverlässigkeit eine näselnde Stimme und die Angewohnheit, mit der Zunge im Mund herumzufahren, als suche sie nach versteckten Krümeln.
    Vera sagte, daß es im Lager Zahnpasta gäbe, Seife, Schreibpapier, Zeitschriften, Bonbons, Kaugummi, Federhalter, Tinte, Coca-Cola, Puffmais, Obst und Gebäck, aber bettlägerige Patienten dürften keine Eßwaren bestellen. Kaugummi könnten wir kriegen, meinte Velma und schickte ihre Zunge hinter ihren rechten, zwölf Jahre alten Backenzahn auf die Suche nach kleinen Resten der verbotenen Eßwaren. Ich brauchte gar nichts, Kimi bestellte Kaugummi und Seife, und als sie merkte, daß ich nichts genommen hatte, sagte sie: „Ich leihe Ihnen gern Geld, wenn Sie etwas brauchen.“ Ich dankte ihr, lehnte aber ab.
    Nach Velma kam ein Verpflegungswagen und brachte außer Milch

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