Einmal scheint die Sonne wieder
durchzustehen. Sie half mir aus meinem Morgenrock, meiner Schlafanzugjacke und auf einen Operationstisch. Sie sagte mir, ich sollte mich auf den Rücken legen und den linken Arm über den Kopf heben, und bestrich dann meine gesamte linke obere Hälfte mit Quecksilberchromat.
Der Chefarzt wusch sich in der Ecke die Hände und drehte uns den Rücken zu. Als er fertig war, gab ihm die Schwester ein Paar Gummihandschuhe, die er wortlos anzog. Dann tastete er mir prüfend die Rippen ab, sah sich meine Röntgenbilder an, las meinen Krankenbericht durch und sagte: „Schreien Sie, wenn Sie wollen, aber rühren Sie sich nicht!“ Ich spürte den Einstich der Subkutanspritze unmittelbar unter meiner linken Brust, dann hatte ich ein komisches Gefühl, so als versuchte er, mich vom Tisch zu stoßen, dann war mir, als ob etwas innen in mir knirschte, und ich empfand einen stechenden Schmerz. „So, jetzt,“ sagte der Chefarzt, als er das Ende von etwas, das wie eine Stahlstricknadel aussah, in einen kleinen Gummischlauch schob, der an zwei, mit einer klaren, bernsteingelben Flüssigkeit gefüllte Vierliter-Saftflaschen angeschlossen war. Die Schwester stellte eine Flasche höher als die andere, und ich wartete wie besessen, daß das Atmen aufhörte und das Ersticken anfing. Ein paar Minuten lang empfand ich überhaupt nichts. Dann hatte ich ein ziehendes, gespanntes Gefühl, das um Hals und Schultern hochlief. Der Arzt sagte: „Ich glaube, das ist für heute genug,“ nahm die Nadel heraus, klebte mir ein Pflaster auf und ich stieg trunken vor Erleichterung vom Tisch.
Als ich wieder ins Bett kletterte, hatte ich ein schreckliches, überwältigendes Verlangen nach einer Zigarette und einer Tasse heißen Kaffee. Lachend erzählte ich es der Schwester, damit sie wußte, es sei nur ein Scherz; aber sie machte ein mißbilligendes Gesicht und brachte mir zwei Aspirin und etwas lauwarmes Wasser.
Zur Abendbrotszeit hatte ich in der Brust schneidende Schmerzen und hatte etwas Blut gespuckt. Aufgeregt berichtete ich der Oberschwester von diesen Symptomen, und sie stellte sofort mein Bett flach und sagte, daß ich drei Tage nicht ins Badezimmer gehen dürfte und alle meine Mahlzeiten im Liegen einzunehmen hätte. Dann erklärte sie mir ruhig, die Schmerzen kämen von Verwachsungen, die sich lösten, das Blut vermutlich aus meiner Nase, und ich könne von Glück sagen, daß ich einen Pneumothorax bekommen könnte. Sie sagte, der einzige Grund, warum ich nicht gleich beim Ankommen einen Pneumothorax bekommen hätte, sei der Schatten auf meiner rechten Lunge gewesen; daß dieser Schatten jetzt verschwunden sei und ich sehr glücklich dran wäre. Als ich da so auf dem Rücken lag, Tee und glibberige kleine Stücke von eingemachten Birnen in meinen Hals schüttete, fiel es mir schwer, der Oberschwester in die Augen zu sehen, zumal ich mich durchaus wohl gefühlt und gar keine Schmerzen gehabt hatte, bevor ich so großes Glück hatte und einen Pneumothorax bekommen konnte. Der Spruch auf meinem Tablett an jenem Abend lautete: „Lieber möchte ich in der Lage sein, Dinge zu schätzen, die ich nicht haben kann, als Dinge zu haben, die ich nicht zu schätzen vermag.“
Wie der ganze große Verein der „Gas“-Patienten bekam ich von da ab bis zu dem Tag, an dem ich den Fichtenhain verließ, vor jeder Mahlzeit ein Gläschen mit „Gas-Medizin“, einer salzig schmeckenden Flüssigkeit.
Drei Tage und Nächte lang hatte ich bei jeder Bewegung starke, ziehende Schmerzen in der linken Seite. Ich nahm Aspirin und versuchte mich auf mein Glück zu konzentrieren, aber es gelang mir nur, mich sehr tuberkulös zu fühlen.
Am Freitagmorgen, gleich nach dem Messen und Pulsfühlen, blieb ein fremder Mann in unserer Tür stehen, las meinen Namen von einer Liste, die er in der Hand hatte, befahl mir, Morgenrock und Pantoffel anzuziehen, half mir in einen Rollstuhl und fuhr auf die Fahrstühle zu. „Was jetzt?“ fragte ich mich, und mein angstverwirrtes Gehirn versuchte sich auf die verschiedenen chirurgischen Eingriffe zu besinnen, die angewandt wurden, wenn der Pneumothorax nicht erfolgreich war. Als die Fahrstuhltüren zugefallen waren, fragt der Mann: „Waren Sie schon mal zur Durchleuchtung?“ Als ich verneinte, sagte er: „Das wird Ihnen Spaß machen. Da können Sie reden und sehen Leute aus dem ganzen Krankenhaus.“
Von meinem Seufzer der Erleichterung wäre fast meine andere Lunge zusammengefallen.
Bevor wir die zweite Kurve des zur
Weitere Kostenlose Bücher