Eins, zwei, drei und du bist frei
erste abgesetzt. Ich verharrte den Rest der Fahrt über schweigend auf dem Rücksitz, unfähig, meine Gedanken zu ordnen, voll Angst, in Tränen auszubrechen und mich vor meinem Chauffeur lächerlich zu machen.
Ich dankte dem Beamten, als er vor meiner Tür hielt, kletterte aus dem Wagen, lief ins Haus und rannte die Treppe hoch. Der erste Stock war menschenleer, aber erfüllt von Gerüchen – Bratfisch bei Mrs. Karwatts, Eintopf bei Mr. Walesky.
Ich klapperte nicht mehr mit den Zähnen, dafür zitterten meine Hände, und ich mußte den Schlüssel mit beiden Fäusten umklammern, um ihn ins Schlüsselloch zu bugsieren. Ich trat die Tür auf, schaltete das Licht ein, schloß die Tür wieder, legte die Riegel vor und überprüfte schnell zur Sicherheit alle Räume.
Rex kam rückwärts aus seiner Suppendose gekrochen und musterte mich von oben bis unten. Er nahm mit Bestürzung meine Erscheinung zur Kenntnis, ich mußte ihm also alles erklären. Als ich an die Stelle kam, wo wir mit Elliot in Lulas Kofferraum durch die halbe Stadt kutschierten, platzte ich los vor Lachen. Meine Güte, was hatte ich mir bloß dabei gedacht! Es war vollkommen absurd. Ich lachte so lange, bis ich weinte, und erst dann merkte ich, daß ich gar nicht mehr lachte. Tränen rollten mir über die Wangen, und ich schluchzte. Nach kurzer Zeit lief meine Nase, und mein Mund stand offen, aber die Schluchzer waren tonlos.
»Scheiße«, sagte ich zu Rex. »Ist das anstrengend.«
Ich putzte mir die Nase, schleppte mich ins Badezimmer, zog mich aus und stellte mich unter die Dusche, bis meine Haut verbrüht war und mein Kopf leer. Ich zog mir meinen Jogginganzug und Wollsocken an und frisierte mir meine roten Haare mit dem Fön in eine Struwwelpeterfrisur. Ich sah aus, als stünde ich unter Strom, aber das kümmerte mich einen feuchten Kehricht. Ich fiel ins Bett und war umgehend eingeschlafen.
Ich erwachte nur langsam wieder zum Leben, die Augen tränenverquollen, mein Kopf benommen. Die Uhr auf dem Nachttisch zeigte halb zehn. Jemand klopfte an die Tür. Ich schlurfte durch die Diele und machte sie ohne große Vorsichtsmaßnahme auf.
Es war Morelli, Pizzakarton in der einen, Sixpack in der anderen Hand.
»Immer erst nachschauen, wer da ist, bevor du die Tür aufmachst«, sagte er.
»Habe ich doch.«
»Schon wieder gelogen.«
Er hatte recht. Ich hatte nicht nachgeschaut. Und ich mußte vorsichtiger sein, auch in dem Punkt hatte er recht.
Ich heftete meinen Blick auf den Pizzakarton. »Du weißt aber wirklich, wie man sich interessant macht, was?«
Morelli lachte. »Hast du Hunger?«
»Willst du nicht reinkommen?«
Morelli stellte die Pizza und das Bier auf den Sofatisch und zog sich die Jacke aus. »Ich würde gern noch mal die Ereignisse des Tages mit dir durchgehen.«
Ich brachte Teller und Papierservietten und ließ mich neben Morelli auf dem Sofa nieder. Ich schlang ein Stück Pizza hinunter und erzählte ihm alles.
Als ich geendet hatte, war Morelli bei seinem zweiten Bier angelangt. »Fällt dir sonst noch irgend etwas ein?«
»Nur, daß Gail uns wahrscheinlich angelogen hat, damit sie keinen Ärger mit ihrer Vermieterin kriegt. Elliots Körper war bereits in Leichenstarre übergegangen, als wir ihn fanden, er muß also schon eine Zeitlang tot gewesen sein. Ich vermute, daß entweder Gail Mo gesagt hat, wo Elliot sich aufhält, oder Elliot war in Gails Zimmer, als Mo auftauchte.«
Morelli nickte zustimmend. »Du siehst die richtigen Fernsehserien«, sagte er. »Wir haben das Nummernschild von dem beigefarbenen Wagen überprüft. Der Wagen gehörte Elliot Harp.«
»Habt ihr was über Mos Kontaktmann in der Montgomery Street herausgefunden?«
»Noch nicht, aber wir haben unsere Leute im Viertel. Die Garage wird von vielen Personen benutzt. Man kann sich für einen Monat einen Kartenschlüssel kaufen. Der Ausweis ist dafür nicht erforderlich. Die Mitglieder der Freedom Church nutzen die Garage, und Geschäftsleute aus der Gegend.«
Ich aß noch ein Stück Pizza. Ich wollte das Thema Mickey Maglio anschneiden, aber ich war mir nicht sicher, was meinen Verdacht betraf. Außerdem hatte ich es Morelli gegenüber schon einmal erwähnt, und um die Sache einfach schleifen zu lassen oder gar zu vergessen, dafür war Morelli viel zu gut als Bulle.
»Also? Was jetzt?« fragte ich. »Willst du fernsehen?«
Morelli schaute auf die Uhr. »Danke für das Angebot, aber ich will lieber nach Hause.« Er stand auf und reckte sich. »Es war
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