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Einsam, zweisam, dreisam

Einsam, zweisam, dreisam

Titel: Einsam, zweisam, dreisam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thommie Bayer
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verschwindet er tosend um die Ecke, und Voula freut sich, daß sie in dieser schönen Abendstimmung zu Fuß nach Hause spazieren kann.
    Seit heute morgen um zehn ist auch O’Rourke in Freiburg. Der BMW , in dem er sich materialisierte, stand an einer Parkuhr beim Bahnhof. Er brauchte nur den Zündschlüssel abzuziehen und im Kofferraum nachzusehen, was da an Annehmlichkeiten seiner harrte.
    Einiges.
    Zwei Samsonite-Koffer voll mit Armani-Anzügen, englischen Seidenhemden und Poloshirts. Drei Gürtel und eine Ledertasche von Hermes, ein Pullover von Versace, drei Paar Bally-Schuhe und fünf Krawatten mit Clubabzeichen von Harvard, Yale, Princeton, Cambridge und West Point. Obenauf im zweiten Koffer lag ein dickes Bündel Geldscheine, drei Kreditkarten und ein Scheckheft von der Deutschen Bank. Um das Bündel war eine Armbanduhr geschnallt. Pattek Phillippe stand auf dem Zifferblatt.
    O’Rourke grinste zufrieden und fuhr zum Hotel Colombi, wo ihm ein grünjackiger Boy die Koffer auf seine Suite trug. Great fand Dino das alles, einfach great.
    Er schlief ein paar Stunden, sah sich ein langweiliges Hotel-Video an und bestellte sich dann ein Club Sandwich aufs Zimmer.
    Jetzt räkelt er sich auf der Ledercouch, das Radio spielt julio Iglesias, und Engel O’Rourke ist so zufrieden, daß er sich für keine der herrlichen Aussichten, die ihm die nächste Zeit bietet, entscheiden kann. Vielleicht sollte er mal mit dem wichtigsten anfangen. Ob es hier Callgirls gibt?
    Er bestellt eine Flasche Tullamore Dew beim Zimmerservice. Zum Glück ist es ein Kellner, der den Whiskey bringt, und keine Frau, denn Dean streckt ihm einen Fünfzigmarkschein entgegen und fragt: *Können Sie mir’ne Frau besorgen? Aber ’ne schicke.»
    Der Kellner gibt sich etwas indigniert, aber nur etwas. Fünfzig Mark für ein Telefongespräch sind ein Argument, das über Stilfragen hinwegsehen läßt. Er wolle es versuchen, sagt er und nimmt den Schein.
    Nach etwa dreiviertel Stunden klopft es an der Tür, und ein sehr blondes und sehr wohlgeformtes Model stakst an ihm vorbei ins Zimmer. Sie schmeißt ihr Beauty Case achtlos in einen Sessel, fläzt sich in den anderen und zupft am Rock ihres Lederkostüms.
    «Ich brauch was zu trinken», stöhnt sie, als käme sie gerade von einer überaus anstrengenden Modenschau, sozusagen direkt vom Laufsteg in Dinos Bett. Ich hab’s gut getroffen, denkt er und schenkt ihr einen Tullamore Dew ein. Für fünfhundert Mark läßt sich die Dame in jede Position, die O’Rourke in den nächsten fünfundvierzig Minuten einfällt, biegen. Und das sind einige.
    Er hatte viel Zeit, sie sich auszudenken.
    Kaum eine mit Small talk verbrachte Stunde später streckt er ihr noch einmal Fünfhundert entgegen, und sie machen alles genauso wie vorher. Er möchte nachprüfen, ob es wirklich so schön ist oder ob das nur Einbildung war.
    Es ist fast so schön.
    Voula ist durch die Stadt geschlendert, hat an einem Imbißstand ein Gyros gegessen und sich dann kurzentschlossen zu der Adresse von Kurt Bilgenreuther durchgefragt. Schöne Gegend, fand sie beim Anblick der großen Häuser und Gärten.
    Sie will sich als Versicherungsvertreterin ausgeben. So was müßte einen Hausbesitzer doch interessieren.
    Sein Name steht ganz oben auf dem Klingelschild. Zusammen mit vier anderen Namen. Man muß dreimal klingeln. Als sie zum drittenmal dreimal geklingelt hat, geht oben ein Fenster auf, und ein bärtiges Gesicht mit Nickelbrille sagt ungehalten: «Der ist nicht da.»
    Mist. Aber vielleicht sogar besser so. Für einen Versicherungsvertreter ist halb neun eine ungewöhnliche Tageszeit. Versicherungsvertreter kommen vor den Fernsehnachrichten, sonst würden sie nie eine Police verkaufen.
    Scheint ein seltsamer Vogel zu sein, dieser Bilgenreuther. Besitzt das ganze Haus, aber wohnt mit anderen in einer Wohnung unterm Dach. Wieso hat der keine ganze Wohnung für sich? Müßte er sich doch leisten können. Ist er geizig?
    Zurück im Hotel, dämmert sie eine Weile in der Badewanne vor sich hin, bevor sie ins Bett geht.
    «Kalinichta», sagt sie zu sich selber.

K urt Bilgenreuther ist wohl tatsächlich ein seltsamer Vogel. Im ganzen Haus weiß niemand, daß er der Besitzer ist. Es weiß überhaupt niemand, außer dem Einwohnermelde- und Finanzamt. Alle denken, er lebe von seinem Briefträgergehalt und wohne mietfrei für das Ausfüllen der Hausmeisterfunktion.
    Mit den Mietern kommt er gut aus. Selbst wenn er mal Unpopuläres von ihnen verlangt.

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