Einsam, zweisam, dreisam
sieben. Auf seinem Tisch liegt eine weiße Decke. Darauf stehen Gläser, Wein und Sprudel. Auf seinem Klappbett liegen Aschenbecher, Pappteller und Korkenzieher. Nichts, außer den beiden Koffern, deutet darauf hin, daß dieses Zimmer bewohnt wird. Er stellt die Koffer in die Dusche und macht Kaffee, während Heidi Pizza holen geht.
Eigentlich ist sie nett, denkt er, auch wenn sie an Geschmacksverirrung leidet. Ist aber ihr Problem, nicht seines. Das muß an den Fotokopien liegen. Plötzlich findet er wieder alle nett. Er wird Regina wiedersehen, dafür geht der Rest der Welt straffrei aus.
Ob sie zur Vernissage kommt? Eher nicht. Sie hätte nicht fünfzig Seiten kopiert, wenn sie nur eine Nacht wegbleiben will. Etwas mehr Geduld wird er schon brauchen. Vielleicht übermorgen.
Sie müssen die Pizza auf den Knien essen. Der Tisch ist so vollgestellt, daß gerade die Kaffeetassen noch Platz darauf haben. Es gelingt Sig sogar, keine Flecken auf die Tischdecke zu machen. Das ist ein kleines Wunder. Er gehört zu den Leuten, die noch mit einer Spalt-Tablette kleckern. Eine Tasse, in der er umgerührt hat, tropft normalerweise wie ein aus der Pfütze getretener Fußball.
Heidi erzählt von der Entstehungsgeschichte der Galerie. Aus ihren Anekdoten entsteht eine richtig andächtige Stimmung, und Sig spürt an ihrer Vorfreude, daß die Galerie den Leuten, die sie sich leisten, wirklich etwas bedeuten muß.
Und wenn es nur die Chance ist, kleine Kerben in den glatten Lebenslauf zu schnitzen. Und mit interessanten Leuten zu tun zu haben.
Zu denen zählt Breinling-Beckenrath sicher nicht. Auch wenn er selbst das anders sehen mag. Sicher weiß er sich direkt an die kosmischen Kräfte des ewigen kreativen Werdens und Wirkens angeschlossen.
Warum ist Sig nur so schlecht auf diesen Mann zu sprechen? Er hat ihm doch nichts getan. Aber schon der Name stört ihn. Der paßt zu gut zu den dürftigen Bildchen, zum Beruf und zum Gehabe.
Sig nimmt sich vor, die Ohren zu spitzen. Mal sehen, ob er seine Bilder auch noch erklärt. Er wird ein Gottesurteil sprechen lassen.
Wenn Breinling-Beckenrath im braunen Cordanzug mit Rollkragenpullover kommt, dann ist er ein als Künstler verkleideter Blödmann auf Heiratsschwindler-Ebene. Wenn nicht, dann kann man weitersehen.
Aber ist doch auch egal. Sein innerer Jubel über Reginas Lebenszeichen überdeckt die Lust auf Häme. Ist er vielleicht der Menschen TÜV ?
Die Hodler-Baumbusch-Connection ist doch das, was zählt.
Hans kommt als erster. Er hat einen dunkelblauen Cordanzug und keinen Rollkragenpullover. Dafür aber ein in den Hemdkragen gestopftes Halstuch. Das kommt fast aufs gleiche raus. Er macht sich an den Bildern zu schaffen, so als hingen die noch schief, bis Curd und eine Dame kommen, der Sig vorgestellt wird. Sie ist die dritte der vier Galeristen und heißt Moll. Gesine Moll.
«Ein wunderschöner Name», sagt Sig und kommt sich gleich zudringlich vor. Distinguierten Damen dieser Art macht man keine Komplimente wegen ihres Namens. Keiner wird es wagen, sie Molli zu nennen.
Jetzt kommen viele Leute, und Sig verzieht sich nach hinten, um die Butterbrezeln auf eines der beiden Klapptischchen im Galerieraum zu stellen. Da er niemandem mehr vorgestellt wird, nimmt er an, daß alle neu Gekommenen ganz normale Besucher sein müssen.
Eine wunderschöne, dunkelhaarige Frau fällt ihm auf. Sie trägt ein graues Leinenkostüm und hat Augen, schwarz wie Teddybärnasen. Jetzt kommen Andrea und ihr Mann zusammen mit Yogi. Der küßt Curd ungeniert auf den Mund.
«Hallo, Joghurt», sagt Sig.
Yogi lacht ihn an. «Hast mir immer noch nicht verziehen, daß ich dich ein bissel angefahren hab?»
«Wörtlich und radlich», sagt Sig.
Wie schön das ist, auch mal selbst wieder das letzte Wort zu haben. Er hat ganz vergessen, wie gut sich das anfühlt.
Jetzt kommt Hannes, der freiwillige Hilfs-Ire. Sig, der im Augenblick die ganze Welt adoptieren könnte, so glücklich, wie er ist, sagt freundlich «Hallo» und nicht, wie er eigentlich Lust hätte: «Streifenhorny, altes Cottage. was macht die Rothaarigkeit für Fortschritte?» Zielstrebig geht Hannes zu einem Bild, auf dem er die Bucht von Dings O’Farghedigaye oder so ähnlich erkennt, verstummt aber sofort wieder, als er unten links liest, daß Dings O’Farghedigaye am Isthmus von Korinth liegen muß.
Seine Frau ist mitgekommen. Sie hat eine neue Frisur. Öko-Punk. Ein türkis gefärbter Streifen durchschneidet die symmetrisch gefönte
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