Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Einsam, zweisam, dreisam

Einsam, zweisam, dreisam

Titel: Einsam, zweisam, dreisam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thommie Bayer
Vom Netzwerk:
Dauerwelle. Sie sieht aus wie ein Neon-Stinktier.
    Jetzt kommt noch ein soignierter Herr mit Lederbesätzen auf den Ellbogen seines Fischgrätjacketts. Der paßt nicht so recht hierher, sieht zu reich aus. Ein verirrter Amerikaner, denkt Sig, das sieht man am Cary-Grant-haften Onkelgesicht. Wenig später hört er den Herrn sich mit der wunderschönen Frau unterhalten. Auf amerikanisch. Er freut sich, daß er richtig lag, obwohl er die Frau nicht für eine Amerikanerin gehalten hätte.
    Mann, ist das ein Hammergirl, denkt O’Rourke, denn niemand anders ist der grauschläfige Herr. Da kann ich ja glatt die Telefonnummer von diesem blonden Sbare Rib wegschmeißen. Er ist Feuer und Flamme.
    Auch Voula, denn sie ist die Schöne in Grau, findet diesen Herrn sympathisch. Auf den ersten Blick. Irgendwas an ihm zieht sie an. Es ist, als wäre er ihr vertrauter als die andern, die sie bis jetzt auf der Erde getroffen hat. Sie fühlt sich sofort um einige Grade wohler.
    Jetzt müssen die Gäste still sein. Ein wieseliger Herr mit gepflegtem Bart räuspert sich. Und spätestens am Gescharre der sich zurechtstellenden Füße und dem aufnahmebereiten Gesichtsausdruck, den der Maler über seine Züge breitet, kann man erkennen, daß jetzt eine Rede gehalten werden soll, in der von Breinling-Beckenraths schwerer Jugend bis zu seinem leichten Pinselstrich alle ausgetretenen Pfade des üblichen Kunstgeschwätzes noch einmal belatscht werden.
    Und so kommt es auch.
    Den Herrn, der sich jetzt ausgeräuspert hat, stellt Heidi als Dr.   Wimmer, den Landtagsabgeordneten der FDP , vor.
    O weh, denkt Sig und zieht sich so weit es geht in Richtung Treppe zurück, die Rede wird anfangen mit «Als ich Hans Breinling-Beckenrath kennenlernte, waren wir Nachbarn in derselben Vorortsiedlung und so weiter».
    Doktor Wimmer spricht. Sig hat falsch geraten. Er spricht von einem Bild, das ihm seine Frau zu Weihnachten geschenkt habe, wie er anfangs so recht nichts damit anzufangen gewußt habe, sich erst habe hineinfinden müssen in die doch sehr eigenständige, man möchte fast sagen eigenwillige Formensprache dieses Zwiegesprächs zwischen dem Sicht- und Fühlbaren und so weiter.
    Schon nach den ersten Worten senkt Sig den Kopf, um sein Grinsen zu verbergen. Er kann es nicht unterdrücken. Das Grinsen ist der einzige Weg, die Verzweiflung, die sich seiner ob solchen Gewäsches bemächtigt, nicht als Tobsucht rauszulassen. Aus den Augenwinkeln sucht er nach Mitleidenden. Da, Yogi hat sich genauso versteckt, und auch auf Curds Gesicht liegt eine eigentümliche Anspannung, die Sig nur unschwer als das Ringen um Fassung erkennt.
    «… und greift ins Gestaltliche, Dingliche wie ein Eroberer, der sich Welten zu nähern weiß, nicht um sie zu verletzen, nicht um sie zu domestizieren, nicht um sie zu unterwerfen …»
    «Tautologische Verdoppelzweifachung, wa?» flüstert Yogi in Sigs Ohr.
    Sig versucht ihn abzuwehren. Er hat Prust-Angst.
    «…nein, behutsam um ergreifendes Erfassen bemüht sucht Breinling-Beckenrath der allzu erfahrbaren Welt die eigene, innere entgegenzusetzen. Fast möchte man sagen, er bietet der äußeren Welt die innere – zur Verschwisterung, daß aus beiden zusammen eine neue Sicht der Dinge entstehen mag …»
    «Hat der liebe Gott bei der Erschaffung der Welt nicht auf Dingelskirchen-Beckensprung gehört und muß sich jetzt die Korrekturen durchsehen?» schon wieder Yogi.
    «Halt den Schnabel», flüstert Sig in erhöhter Prust-Bereitschaft, «du verstehst nix von Kunst.»
    «Das tu ich gern», lacht Yogi leise.
    «Doktor Wimmer hat was Sparkassenhaftes», flüstert Sig.
    «Und Engerling-Beckenrand erinnert an Villeroy und Boch.»
    Jetzt wird Yogi fast ein bißchen zu laut.
    «Pssst», Sig macht eine warnende Zeigefingerbewegung.
    «Was von Villeroy und Boch, Bad oder Waschbecken?»
    «Klo», grinst Yogi.
    Sig muß rausgehen. So schnell und leise er kann, hastet er an den aufmerksam gespannten Menschenrücken vorbei zur Tür. Draußen angelangt, rennt er erst ein paar Schritte, bis er sich lachend an eine Hauswand lehnt.
    So was ist ihm zum letztenmal in der Schule passiert. Er lacht Tränen und kann nicht aufhören, obwohl ihm der Bauch weh tut.
    Ein umarmtes Pärchen macht einen Bogen um ihn. «Ist nicht ansteckend», ruft er ihnen nach. Sie gehen schneller, ohne sich umzudrehen.
    Schließlich hat er sich wieder gefaßt, und nachdem er sich die Tränen aus den Augen gewischt hat, geht er zurück. Die Rede ist vorbei.
    Die

Weitere Kostenlose Bücher