Einsame Spur (German Edition)
sich Ben sofort, als sie die Kinder in der Weißen Zone um Hilfe bei der Suche bat. »Repariert ein Auto.«
»Danke, Ben.« Sie küsste ihn auf die Wange – wie auch alle anderen Kinder, die um sie herum waren – und ging zur Garage.
Tatsächlich »reparierte« Hawke keinen Wagen. Er sprach mit dem Chefmechaniker über ein ziemlich heruntergekommenes Allradfahrzeug, das in seine Einzelteile zerlegt war. Sienna blieb außer Sichtweite, um das wichtige Gespräch nicht zu unterbrechen, aber sie wusste, dass Hawke sie längst bemerkt hatte. Sein Wolf rieb sich schon zur Begrüßung am Paarungsband.
Ihr war nicht klar, warum sie stets wusste, mit welchem Teil von ihm sie gerade Kontakt hatte. Es war einfach so. Und sie hatte auch gelernt, wie sie den Wolf durch das Band streicheln konnte, was sie jetzt tat. Als Hawke nach dem Ende der Unterredung zu ihr kam, strich er ihr über die Wange und sagte nur: »Gehen wir in mein Büro.« Natürlich hatte er ihre Stimmung sofort erfasst.
Sobald sie das Büro betraten, hob er eine Augenbraue. »Jemand hat in meinem Sessel gesessen.«
Sie ließ sich wieder hineinfallen. »Die Mütter hassen mich.«
Mit verräterisch leerem Blick lehnte sich Hawke an den Schreibtisch und sah in ein unzweifelhaft zorniges Antlitz. »Lass mich raten: Ava zu folgen hat nicht geklappt.«
»Ihr Baby war heute sehr unruhig, deshalb hat sie mich an Nell abgegeben.« Sienna setzte sich den Zeigefinger an die Schläfe und tat so, als würde sie sich mit einer imaginären Pistole erschießen. »Hast du eine Ahnung, wie oft ich als Jugendliche vor Nell zitiert wurde? Sie weiß es jedenfalls. Hat ein Gedächtnis wie eine Bärenfalle.«
»Verstehe.«
»Lach nicht«, murrte Sienna und starrte ihren Gefährten böse an, obwohl er nicht einen Laut von sich gegeben hatte. »Es ist mir ernst.«
Er musste dennoch lachen, schob den Sessel mit dem Fuß zurück und zog ihn dann wieder zu sich, bis sie zwischen seinen Beinen saß. »Erzähl mir, was passiert ist.«
»Ich habe Nell im Kindergarten getroffen, und wir haben eine Stunde mit den Jungen verbracht. Das war sehr nett.« Sie mochte die unschuldigen Kleinen gern, die Art, wie sie vor Freude kreischten, hemmungslos und ohne schlechtes Gewissen. »Erst danach beschloss Nell, die Straße der Erinnerungen zu beschreiten. Besonders gern –« Sienna malte mit gekrümmten Fingern Anführungszeichen in die Luft. »– erinnert sie sich an den Ausflug mit meiner Klasse, als ich bei unserem Nachtlager die Mädchen überredet habe, den Jungen jeden Fetzen Kleidung zu stehlen. Sie meinte, die präzise Ausführung der Tat hätte sie beeindruckt.«
Hawke erinnerte sich auch an den Vorfall und an die Strafe, die er über die Beteiligten verhängt hatte – wobei er sich sehr zusammengerissen hatte, um den Mädchen zu ihrer dreisten Tat nicht zu gratulieren. »Nell war vielleicht wirklich beeindruckt.« Er selbst war es jedenfalls gewesen.
Als Antwort gab Sienna das Knurren von sich, das er an ihr so liebte, und schob den Sessel an die Wand zurück, die Beine lang vor sich ausgestreckt. »Ich musste einer Disziplinarverhandlung von zwei Jugendlichen beiwohnen – das war wie ein schlechter Film aus meinem Leben. Danach hat Nell mich zu einem Treffen älterer Mütter mitgenommen, die alle an einem Quilt arbeiteten. Dabei kann ich nicht einmal genug nähen, um im Kampf zerrissene Kleidung zu reparieren.«
Hmm … »Hat sie dich noch einmal eingeladen?«
Sienna nickte mürrisch.
Glücklich angelte er mit dem Fuß nach dem Sessel und zog ihn wieder zu sich. »Frag mich mal, wer vor dir die ungekrönte Königin im Mistbauen war?«
»Wer?«, murrte Sienna immer noch in düsterer Stimmung.
»Nell.«
Damit erreichte er sie. »Nell?«
»Ja. Sie hat den Titel zehn Jahre lang unangefochten gehalten. Deshalb bin ich ziemlich sicher, dass sie beeindruckt hat, was du abgezogen hast.« Er beugte sich vor und stützte die Hände auf die Armlehnen.
Seine Gefährtin biss sich auf die Unterlippe. »Und das Treffen der Quiltnäherinnen?«, fragte sie leise.
»Dabei besprechen die Mütter, was anliegt. Und sie laden nicht jeden dazu ein.«
»Ach.« Sienna rieb sich das Gesicht. »Um ganz ehrlich zu sein, das Treffen war nichts gegen die Zeit, die ich mit Nell allein verbracht habe. Das war, als würde man über glühende Kohlen gehen.«
»Wie hast du darauf reagiert?«
»Ich habe Nell mit dem Respekt behandelt, der erfahrenen Gefährtinnen und Gefährten in der Höhle
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