Einsame Spur (German Edition)
von den meisten Kardinalmedialen hundertprozentige Aufmerksamkeit gefordert hätten.
Doch Kaleb war nie wie die meisten gewesen. In keinerlei Hinsicht.
»Vasquez ist ein Telepath der Stärke acht Komma drei auf der Skala und kam als Kind zur Ausbildung in die Pfeilgarde«, sagte Silver und setzte sich Kaleb gegenüber. »Mit vierzehn befand man ihn allerdings als nicht geeignet. Er wurde einer normalen Truppe für geheime Operationen zugeteilt, in der er bis zu seinem Tod diente.«
Das deckte sich mit Kalebs eigenen Informationen. »Auftragsmorde?«
»Nicht aktenkundig, doch angesichts seiner psychologischen Struktur ist anzunehmen, dass er zum Morden eingesetzt wurde.«
Kaleb hegte keinerlei Zweifel, dass Vasquez ein Auftragskiller war – Henry hatte sich nie gern selbst die Hände schmutzig gemacht. »Wann ist er aus dem Raster gefallen?«
»Vor acht Jahren. Der Tod wurde bestätigt.«
»Natürlich.« Nur so konnte man aus dem Medialnet verschwinden. »Lassen Sie mich raten: Sicher ein Unfall, bei dem nur gerade genügend Material übriggeblieben ist, um eine DNA -Analyse zu machen.«
»Zerschmetterte und halb verbrannte Teile des kleinen Fingers der linken Hand. Selbst im Untergrund leicht durch eine Prothese zu ersetzen.«
Und der Beweis, dass es sich um einen Mann handelte, der sich einer Sache verschrieben hatte, für die er sich sogar selbst verstümmelte.
»Seither hat man ihn weder gesehen noch DNA -Spuren von ihm gefunden.« Seine Assistentin tippte mit dem Finger auf ihren Organizer und lud mehrere Bilder hoch, um sie ihm zu zeigen. »Da Sie seinen Namen im Zusammenhang mit Henry Scott erwähnt haben, war ich so frei, die Überwachungsfotos der letzten sechs Monate durchzusehen. Vasquez erscheint auf keinem.«
Was gar nichts hieß, wie Kaleb wusste. Der Mann war dazu ausgebildet, unsichtbar wie ein Geist zu sein. »Sehr wahrscheinlich sieht er nicht mehr so aus wie vor acht Jahren.«
»Das glaube ich auch«, fuhr Silver fort, und ihre nächsten Worte belegten, dass sie ihr Geld wirklich wert war. »Aber Henry hat kurz vor Vasquez’ Verschwinden damit begonnen, regelmäßig sechsstellige Summen auf ein Konto nach den Kaimaninseln zu überweisen. Das Konto kann man nicht verfolgen, doch Henry hat die Zahlungen mit A. V. gekennzeichnet.«
Kaleb hatte schon fast damit gerechnet, dass genau solch ein einfaches Versäumnis Vasquez’ sorgsam aufgebautes geheimes Leben zu Fall bringen würde. In Bezug auf Details war Henry nie besonders sorgsam gewesen. »Noch etwas?«, fragte er, als sie ein weiteres Dokument hochlud.
Sie nickte leicht, ohne dass sich auch nur eine Strähne aus dem festen Knoten an ihrem Hinterkopf löste. »Die Zahlungen sind nach Henrys Begegnung mit Sienna Lauren eingestellt worden. Doch nun scheint sich wieder jemand seiner Finanzen anzunehmen.« Die Augen, von einem recht ungewöhnlichen Blaugrau, sahen ihn direkt an. »Die Banken haben bestätigt, dass es sich nicht um Shoshanna handelt.«
Shoshanna war Henrys Frau, allerdings nur auf dem Papier, um Menschen und Gestaltwandler zu täuschen. »Exzellente Arbeit, Silver.« Er bat nicht um die Zusendung der Dokumente – Silver war seine Assistentin, weil sie so etwas ungefragt tat.
Sie stand auf, den Organizer in der Hand. »Im Augenblick ist A. V. ebenso ein Phantom wie Vasquez, aber ich habe meine Familie instruiert, dass Sie an ihm Interesse haben.« Sie ging ohne ein weiteres Wort, der Teppich verschluckte das Geräusch ihrer Absätze.
Kaleb überschlug die infrage kommenden Möglichkeiten: Vasquez konnte nach Henrys Tod die Macht übernommen haben und nun die Makellosen Medialen anführen. Doch nach dem, was er über ihn wusste, war er kein Anführer. Bei seiner Ausbildung in der Pfeilgarde war er sklavisch den Befehlen anderer gefolgt. Man hatte ihn bloß ausgemustert, weil er psychisch zu instabil für die heiklen Aktionen der Garde war und somit ein Risiko darstellte.
Die Entscheidung musste den Verantwortlichen schwergefallen sein, denn der Akte zufolge, die Silver ihm geschickt hatte, verfügte Vasquez neben tödlichen Fähigkeiten im Kampf über eine sehr entscheidende Gabe: Er konnte Dinge auf den Punkt genau organisieren. Falls er nun über die Kontrolle von Henrys Finanzen verfügte, hatte er einen solchen Ausgang vorhergesehen und dafür gesorgt, dass er Zugang hatte.
Silver , fragte er telepathisch an, wohin geht Henrys Geld?«
Unbekannt. Selbst unsere besten Leute konnten es nicht herausfinden. Aber wir
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