Einsame Spur (German Edition)
gestanden hatten, doch hinaus in die Lagune hatte man freie Sicht.
»Sie ist verdammt schön«, sagte Bowen leise zu Riaz. Hinter den Worten verbarg sich eine Frage.
»Sie ist bereits vergeben«, antwortete Riaz instinktiv, weder Mann noch Wolf kümmerte es, dass die Vereinbarung mit Adria ihm keinerlei Besitzrechte zubilligte.
»Der Kerl hat verdammtes Glück.« Ein schräger Blick.
In diesem Moment drehte Adria sich um, in ihren klaren Gesichtszügen spiegelte sich das vom Wasser gedämpfte Licht, und die bernsteinfarbenen Augen waren ein deutliches Zeichen dafür, dass auch die Wölfin fasziniert von der fremdartigen Stadt war. »Wenn ich hier leben müsste, würde ich verrückt werden, aber als Besucherin finde ich es grandios.«
»Sie sollten es erst einmal bei Sturm erleben.« Bo ging zu einem Tisch, auf dem belegte Brote, Wasser und Früchte für sie bereitstanden, und lud sie ein, sich zu setzen. »Selbst Leuten, die hier leben und arbeiten, ist das manchmal zu viel. Es geht einem an die Nieren, wenn man sich vor Augen hält, wie nahe Venedig einem vollkommenen Verschwinden ist.«
»Aber Ihnen gefällt es.« Adrias Stimme war ein wenig weicher geworden, um ihre Lippen spielte ein leichtes Lächeln.
Bowens Lächeln kam von Herzen. »Mein Venedig raubt einem den Atem.«
Riaz’ Wolf stellte die Nackenhaare auf, als er den Hauch eines Flirts spürte, doch es gelang ihm, während des Essens freundlich zu bleiben. »Also«, sagte er nach den ersten Bissen, »was ist der Grund für die Paranoia?«
Mit einem Keks in der Hand drehte Bo sich auf dem Stuhl herum, drückte auf eine flache Fernbedienung und schaltete den Monitor hinter ihnen an. Das Bild zeigte einen dicklichen Mann im mittleren Alter, der vollkommen harmlos aussah. »Einer unserer erfahrenen Kommunikationsspezialisten.« Bo ließ den Keks auf seinen Teller fallen, man sah, wie die Muskeln in seinem Gesicht arbeiteten. »Vor zwei Wochen haben wir herausgefunden, dass die Medialen seinen Verstand gebrochen und umprogrammiert haben.«
Adria schob ihren Teller weg, der Appetit war ihr vergangen. »Lebt er noch?« Von den Laurens wusste sie, dass eine solche Gehirnwäsche schon für Mediale hart war, für Gestaltwandler war sie äußerst brutal, denn ihre natürlichen Schilde mussten dafür zerstört werden. Bei Menschen konnte es so oder so ausgehen, da natürliche Schilde kaum vorhanden waren – doch ihre Gehirne waren für den psychischen Druck der Behandlung ebenfalls nicht geschaffen.
»Er hängt an der Herz-Lungen-Maschine«, sagte Bo tonlos. »Wir haben alles unternommen, um ihn durchzubekommen, aber …« Bo rieb sich das Kinn, atmete tief durch, und bei seinen nächsten Worten spürte man deutlich die Wut. »Er war – ist – ein guter Mann, hat sich tapfer dagegen gewehrt. Die Ärzte meinen, er müsse dauernd Nasenbluten gehabt haben, um nicht noch Schlimmeres zu nennen.«
»Aber du glaubst, er war ihnen unterlegen«, fragte Riaz, der ebenso zornig wie sie selbst war, »und dass sie über ihn in euer Kommunikationssystem gelangt sind?«
»Leider kann Reuben uns nicht sagen, ob es so ist – als wir herausgefunden haben, was die Scheißkerle ihm angetan hatten, lag er schon im Koma.« Bowen rückte etwas zur Seite, damit er gleichzeitig den Bildschirm und die Gestaltwandler im Blick hatte. »Im Augenblick reißen wir alles raus und installieren es vollkommen neu. Sowohl die Software als auch die Hardware. Bis das erledigt ist, herrscht Stillschweigen auf allen Kanälen, bis auf ganz allgemeine Gespräche.«
»Und Handys?«, fragte Riaz.
»Wir tauschen alle aus – Reuben hatte sie uns besorgt.« Bo schüttelte den Kopf. »Die neuen sollen heute ankommen, dann nehmen die Techniker sie erst einmal auseinander.«
Obwohl die Vorsichtsmaßnahmen extrem waren, fand Adria sie angemessen. Nur ein Narr würde die Medialen nicht als Bedrohung ansehen. »Haben Sie eine Vermutung, wer für den Anschlag auf Reuben verantwortlich ist?« Leicht konnte man die Medialen generell als Feinde abtun, aber in dieser Gattung gab es ebenso Unschuldige und Schurken wie bei Gestaltwandlern und Menschen.
Jeglicher Anflug von Charme war aus Bos Miene gewichen. Er tippte kurz auf die Fernbedienung, und an Reubens Stelle erschien das Bild einer Frau mit spitzen Wangenknochen und hellgrünen Augen. Ihr Haar hatte die Farbe von dunklem Mahagoni und die Haut war leicht oliv getönt.
»Tatiana Rika-Smythe.« Eis klirrte in jeder Silbe. »Sie tritt nicht so laut
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