Einsame Spur (German Edition)
der Hand kategorisch durch die Luft, und sein Ton ließ keine Zweifel aufkommen. »Ihre Hilfe war entscheidend, unser Dank ist ihr gewiss, aber sie gehört nicht zum Bund und würde unsere Geheimnisse nicht bewahren.« Eine ehrliche Antwort. »Der letzte Prototyp, den sie bekommen hat, war ein früheres Modell. Wir wollten den Rudeln Bescheid sagen, wenn wir den richtigen Zeitpunkt für gekommen hielten.«
»Der Zwischenfall auf der Jacht hat die Sache beschleunigt«, vermutete Riaz, dessen Wolf sich nun entspannte, da er seinem Leitwolf nicht mehr mitteilen musste, dass ein Mitglied des Rudels, dem sie größtes Vertrauen entgegenbrachten, ihr Bündnis gebrochen hatte. Er spürte auch, wie die Spannung in Adria nachließ.
Bo bestätigte Riaz’ Vermutung mit einem Kopfnicken. »Wir haben beschlossen, Ashaya an den Patentrechten zu fünfundzwanzig Prozent zu beteiligen. Allerdings wird eher die Hölle zufrieren, als dass wir dieses Patent anmelden, deshalb wird die Beteiligung wohl kaum Profit abwerfen. Wichtig ist uns nur, dass so viele Menschen wie möglich den Chip bekommen. Es darf kein Luxus sein, sich vor geistigen Übergriffen zu schützen.«
Die Geheimniskrämerei überraschte Riaz nicht, aber Bos Vertrauen in den Erfolg der Maßnahme schien ihm doch etwas übereilt.
Adria ging es wohl ähnlich. Sie beugte sich vor, und ihr Duft hüllte ihn ein, als sie sagte: »Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Leute Schlange stehen, um sich einen Chip ins Gehirn einpflanzen zu lassen.«
»Das erfordert immenses Vertrauen«, pflichtete Riaz ihr bei und widerstand dem Impuls, über ihren Rücken zu streichen, der in dieser Haltung eine wunderschöne Kurve beschrieb.
»Ihr denkt als Gestaltwandler.« In Bos Augen loderte die Leidenschaft. »Die Menschen … ihr wisst ja nicht, wie es ist, herumzulaufen und zu wissen, dass Mediale jederzeit etwas aus eurem Kopf herausholen oder hineinpflanzen können. Tagtäglich wird Menschen Gewalt angetan, ohne dass sie sich dagegen wehren können.« Harte Fakten mit scheinbar unbeteiligter Stimme vorgetragen. »Sobald ein Mensch eine neue Technologie erfindet, meldet ein Medialer schon ein Patent darauf an. Purer Zufall natürlich.« Ein bitteres Lachen. »Bemerken kann man es sowieso nur, wenn die Medialen das Erinnerungsvermögen ausnahmsweise intakt lassen.«
Bo ballte die Hand zur Faust und atmete tief ein; die nächste Aussage war weniger zornig. »Zunächst sind nur wenige in den Genuss gekommen, nur Leute, die ich persönlich überprüft hatte. Reuben gehörte nicht dazu. Wer weiß, was sonst …« Bo schüttelte den Kopf. »Das ist Geschichte. Tatsache ist natürlich, dass die Medialen früher oder später davon erfahren werden, weshalb wir die Vergabe auf den gesamten Bund ausgedehnt haben. Wer einen Chip haben will, bekommt ihn auch.«
Dazu fiel Riaz nichts ein. Was Bo gesagt hatte, war die hässliche Wahrheit. Doch Bo konnte nicht begreifen, wie gut die Wölfe diese Art von Gewalt kannten. Die Medialen hatten zwei Jahrzehnte zuvor die Stärksten des Rudels gebrochen und dieses damit beinahe ausgelöscht. Riaz war noch sehr jung gewesen, aber er würde das viele Blut und die Verluste nie vergessen … und auch nicht die tödliche Entschlossenheit eines Jungen mit silbrig goldenem Haar, noch fast selbst ein Kind, der ihr Leitwolf geworden war.
Nun sah Riaz dieselbe Entschlossenheit in Bos Gesicht. Ganz egal, was nötig war, was es ihn persönlich kostete, Bo würde nicht davor zurückschrecken, wenn es darum ging, seine Leute zu schützen. »Warst du der Erste?«
»Wie könnte ich meine Männer und Frauen um etwas bitten, zu dem ich selbst nicht bereit bin?«
»Ich sehe nichts in Ihrem Nacken. Haben Sie den Chip woanders eingesetzt?« Adrias heisere Stimme rieb rau über Riaz’ Haut.
»Er ist genau dort, aber verdeckt von einem Pflaster, das sich der Haut vollkommen anpasst.« Bo drehte seinen Kopf zu Adria, in seinem Lächeln lagen Flirt und Herausforderung. »Sie können fühlen, wenn Sie wollen.«
Wieder fletschte der Wolf in Riaz die Zähne, aber er blieb ruhig, denn Bo wollte ihn nur ärgern. Dennoch verfolgte er hochkonzentriert jede Bewegung seiner Geliebten, als sie sich hinter Bos Stuhl stellte.
»Wo?«, fragte sie.
»Dort.« Bo tippte mit dem Finger auf die Stelle.
Sie konnte auf der glatten honigfarbenen Haut nichts Erkennbares finden und fuhr mit den Fingerspitzen über seinen warmen Nacken. Sie ertastete einen quadratischen Umriss, als sie auf
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