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Einsamen

Einsamen

Titel: Einsamen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Nesser
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und Barbarotti beschloss, genau das zu tun, was ihm geraten worden war. Zuversichtlich zu sein und an sie zu denken.
    Aber – Zuversicht? Was war das eigentlich?
    Wahrscheinlich die einzig wirklich wirksame Medizin gegen die weißglühende Angst, die in ihm tickte, das einzusehen war nicht besonders schwer. Aber an ihr festzuhalten, das war etwas anderes. Es tatsächlich, jede Sekunde und Minute zu schaffen, sich nicht zu beunruhigen und stattdessen zu vertrauen … ja, worauf eigentlich? Das war eine gute Frage. Eine wirklich gute Frage. Die Zuversicht ist eine Badezimmerseife, dachte Inspektor Barbarotti verwirrt. So gut wie unmöglich, sie zu fassen zu kriegen.
    Und diese sechs Jahre alte Abmachung mit dem Lieben Gott war plötzlich nicht mehr aktuell. Sie war ein für alle Mal vom Tisch. Und das Merkwürdige daran war, dass ihm das in keiner Weise merkwürdig erschien.
    Von jetzt an ist alles verändert, dachte Gunnar Barbarotti. Gütiger Gott, lass sie leben.

43
    D ie Stille, die entstand, nachdem die Tür geschlossen worden war, erschien wie ein lebendiges Wesen. Gute zehn Sekunden lang rührte niemand auch nur einen Finger oder sagte ein einziges Wort. Rickard hatte den Eindruck, dass sie nicht einmal atmeten. Zumindest er selbst nicht. Der Inhalt dessen, was der Anführer gesagt hatte, wurde ihm langsam klar, aber es war eine Botschaft, die man sich kaum eingestehen mochte.
    One woman with me.
    Eine von ihnen – Gunilla oder Maria oder Anna – sollte dazu bestimmt werden, mit den vier Männern zu gehen. Eine Stunde mit ihnen zu verbringen. Es bedurfte nicht
viel Fantasie, um sich vorzustellen, was sie planten, in dieser Stunde zu veranstalten. Dazu war überhaupt keine Fantasie
nötig.
    Vier Stück. Rickard wurde klar, dass deshalb niemand etwas sagte. Jeder Einzelne von ihnen begriff ganz genau, worum es ging. Da gab es keinen Raum für Interpretationen.
    Wenn sie kein Mädchen kriegten, dann würden sie ihre Kalaschnikows benutzen.
    Deutlicher konnte keine Sprache sein.
    Die Erste, die sich äußerte, war Maria.
    »Warum sagst du nichts, Bruderherz?«, sagte sie. »Hast du etwa die Kontrolle verloren?«
    Tomas antwortete nicht. Er stand auf und lief stattdessen durch den Raum.
    »Was sollen wir tun«, flüsterte Gunilla. »Ihr denkt doch wohl nicht …?«
    »Nein«, erwiderte Anna. »Wir müssen natürlich …«
    Keiner von ihnen wusste, wie er den Satz fortsetzen sollte. Rickard musterte die anderen. Germund saß da und starrte auf seine Füße. Maria saß reglos mit geschlossenen Augen da, sie hatte sie offenbar gar nicht geöffnet, als sie ihrem Bruder die Frage gestellt hatte, aber dessen war er sich nicht sicher. Er schaute auf seine Armbanduhr. Es war inzwischen eine Minute vergangen.
    Noch vierzehn. Wenn Tomas nicht bald etwas sagt, muss ich für das hier die Verantwortung übernehmen, dachte Rickard. Es war ein Gedanke, der ihn verwunderte, Panik lag in ihm auf der Lauer, Angst tanzte in ihm, dennoch wusste er, dass sie nicht einfach wie gelähmt dasitzen und die Minuten verrinnen lassen konnten.
    Wie Vieh. Das war auch ein verblüffender Gedanke.
    Warum spreche ich kein Gebet?, wunderte er sich. Aber irgendetwas hielt ihn davon ab.
    »Wir müssen etwas tun«, sagte er.
    »Tun?«, griff Maria das Wort auf. Ohne die Augen zu öffnen, dieses Mal sah er es. »Und was schlägst du vor, was wir tun sollen?«
    Tomas kam zu ihnen zurück und setzte sich auf eine der Bänke. Als hätte er einen Entschluss gefasst, dachte Rickard.
    »Wenn wir es nicht entscheiden, wird es nur noch schlimmer«, sagte Tomas.
    »Was meinst du damit?«, fragte Gunilla.
    »Ich meine, dass es uns wahrscheinlich nichts nützt, wenn wir uns ihrer Anordnung widersetzen. Zum Beispiel.«
    »Jetzt übertriffst du dich selbst«, sagte Maria.
    »Willst du damit sagen, dass sie eine von uns kriegen sollen?«, rief Anna aus. »Du meinst, wir sollen Gunilla, Maria oder mich opfern?«
    Ihre Stimme kippte über. Sie stand auf und stellte sich an eine Wand. Mit dem Rücken zu den anderen. Rickard zögerte. Dann ging er zu ihr. Legte ihr vorsichtig die Hand auf die Schulter. Sie drehte den Kopf und starrte ihn an.
    »Fahr zur Hölle«, zischte sie. »Fahr zur Hölle, Rickard.«
    Er verstand kaum, was sie sagte. Hatte er richtig gehört? Hastig schaute er zu den anderen. Nein, keiner von ihnen schien etwas mitbekommen zu haben.
    Gunilla hatte angefangen zu weinen. Sie saß nach vorne gebeugt da, die Arme um den Kopf, der ganze Körper bebte

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