Einsamen
überinterpretieren.
»Das kann ich nur schwer glauben«, sagte er. »Aber das war mir natürlich schon klar, nachdem ich mit Ihrem Kollegen gesprochen habe. Was bringt Sie zu dem Glauben, dass die beiden ermordet worden sein sollen?«
»Darauf kann ich leider nicht näher eingehen«, sagte Eva Backman und fragte sich wie immer, wie oft sie diese Phrase schon von sich gegeben hatte. Darauf kann ich nicht näher eingehen.
»Aber es gab ja bereits beim Tod Ihrer Schwester einen Verdacht«, fügte sie hinzu. »Oder?«
»Ja, sicher«, sagte Tomas Winckler und zuckte mit den Schultern. »Dieser Sandlin hat monatelang ermittelt. Gunilla und ich, wir haben mehrere Male mit ihm gesprochen.«
»Finden Sie das merkwürdig?«, fragte Backman. »Dass er ermittelt hat?«
»Ich weiß nicht«, sagte Tomas Winckler mit einem halben, schnellen Lächeln. »Es ist ja schon so lange her. Aber es lag wohl daran, dass sie gerufen hat. Ich habe keine Ahnung, wie die Polizei so denkt und arbeitet.«
Vielleicht fand sich ein Hauch von Ironie in dem letzten Satz, aber das war nicht so leicht auszumachen. Eva Backman blätterte eine Seite ihres Notizblocks um und machte eine kurze Pause. Winckler füllte sie nicht mit Worten, saß nur ruhig da und wartete.
»Sie wissen, dass ich letzte Woche mit Ihrer Frau gesprochen habe?«
»Ja, natürlich. Sie hat es mir erzählt.«
»Ich würde gern zu Anfang noch einmal auf den Zeitpunkt von vor fünfunddreißig Jahren zurückkehren«, erklärte Eva Backman. »Auf diesen Abend bei Rickard und Anna Berglund, den Abend, bevor es passiert ist, genauer gesagt.«
»Ich verstehe«, sagte Tomas Winckler.
Wirklich?, dachte Backman. Und was verstehst du? Dass es gute Gründe für uns gibt, herauszubekommen, was an diesem Abend auf dem Pfarrhof von Rödåkra passiert ist? Dass etwas passiert ist, was eine Erklärung für den Todesfall am nächsten Tag geben könnte, und dass du dir dessen nur zu bewusst bist?
Oder war das nur ein unschuldiger Kommentar? Sie wusste es nicht, wieder einmal balancierte sie auf einer Scheide. Entweder-oder.
»Waren Sie tatsächlich so gute Freunde, wie Sie uns gern den Anschein geben?«, fragte sie.
»Jetzt verstehe ich nicht ganz«, sagte Winckler. »Weder Gunilla noch ich haben jemals behauptet, dass wir 1975 so gute Freunde waren. In Uppsala hatten wir viel miteinander zu tun. Rickard und ich, wir haben uns beim Militär kennengelernt, und Maria war meine Schwester. Aber als wir uns auf Rickards Pfarrhof trafen, da war seitdem schon eine ganze Zeit vergangen.«
»Wie lange?«, wollte Backman wissen.
»Zu sechst hatten wir uns sicher seit mehr als einem Jahr nicht mehr zusammengefunden«, antwortete Winckler, nachdem er einige Sekunden lang nachgedacht hatte. »Gunilla und ich, wir haben Uppsala im August 1974 verlassen. Ja, ich glaube, wir haben uns bei uns daheim ein paar Mal getroffen, im Frühjahr 1974. Zusammen mit einigen anderen, nicht nur mit den beiden Paaren. Zu sechst, das muss das letzte Mal in Uppsala gewesen sein.«
Backman machte sich Notizen, sagte aber nichts. Tomas Winckler räusperte sich und fuhr fort.
»Dass wir uns dann bei Anna und Rickard trafen, das lag natürlich daran, dass vier von uns in der Gegend von Kymlinge gelandet waren. Und wir in Göteborg, das ist ja nur eine Stunde Autofahrt von dort … na, vielleicht anderthalb.«
»Dann gab es keinen speziellen Anlass dafür, dass Sie sich getroffen haben?«
»Nein, es gab keinen anderen Grund, als dass wir zusammen essen wollten. Und am Sonntag einen kleinen Ausflug machen, wie gesagt, bevor Gunilla und ich wieder zurück nach Göteborg fahren wollten. Rickard und Anna hatten eingeladen, und wir haben zugesagt, mehr war da nicht.«
Eva Backman nickte. »Dann war also der regelmäßige Umgang mit den anderen beiden Paaren auf ein paar Jahre Anfang der Siebziger beschränkt? Wenn man es genau betrachtet.«
»Vollkommen richtig«, stimmte Tomas Winckler zu. »1969 bis 1973 würde ich mal sagen.«
»Und es schlief bereits ein, während Sie noch in Uppsala wohnten?«
»Ich will nicht behaupten, dass es einschlief. Wir haben uns einfach auseinandergelebt.«
»Gab es einen bestimmten Grund?«
»Dafür, dass wir uns auseinandergelebt haben?«
»Ja.«
Plötzlich zögerte er. Saß stumm da und fuhr sich mit Daumen und Zeigefinger über das Kinn, bevor er antwortete. Schob die Brille zurecht.
Er überlegt, was die anderen gesagt haben könnten, dachte Backman. Da ist etwas, und er weiß
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