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Einsamen

Einsamen

Titel: Einsamen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Nesser
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ist es vorbei. Es gibt keine Vorwarnung.
    Aber sie war ja nicht tot.
    Marianne lebte. Sie befand sich in der neurochirurgischen Klinik des Sahlgrenska Krankenhauses in Göteborg und wurde von Menschen betreut, die wussten, wie man mit so etwas umging. Mit kleinen Blutungen im Gehirn. Die den Schädel öffneten, das Blut absaugten und dafür sorgten, dass der Patient wieder gesund wurde und nichts zurückblieb …
    Er fragte sich, welche Schäden zurückbleiben konnten. Seine Erfahrung hinsichtlich von … wie hieß das noch? … Aneurysmen …. war praktisch null. Konnte man gelähmt werden? Für den Rest des Lebens ans Bett gefesselt? Probleme mit der Sprache haben?
    Konnte Marianne so verändert sein, dass man sie fast nicht mehr wiedererkannte? Oder sie ihre Familie? Ihn und die Kinder, Schwedens Jugend, seine Zukunft. Eine tragische Gestalt, die den ganzen Tag im Rollstuhl saß und nicht sprechen konnte? Zwanzig, dreißig Jahre lang?
    Die Bilder bombardierten ihn, und er fragte sich, wie viele Menschen es wohl im Land gab, die in so eine Situation kamen. Paare, deren einem Teil plötzlich etwas zustieß, wodurch von einer Sekunde zur anderen sich für den anderen Teil alles veränderte. Weil das Leben so schnell die Spur wechselte, dass man gar nicht die Chance hatte, sich darauf vorzubereiten.
    Oder die wichtigen Dinge auszusprechen, während noch Zeit war? Das, was nie gesagt wurde.
    Und dass so eine kleine Ader einfach platzen konnte! Wann auch immer. Eine dünne Aderwand, die plötzlich nachgab und nicht nur das Leben desjenigen veränderte, zu dem sie gehörte, sondern außerdem noch viele Leben rundherum. Sechs Stück in diesem Fall.
    Freunde und Arbeitskollegen gar nicht mitgerechnet.
    Das ist nicht gerecht, dachte Gunnar Barbarotti.
    Aber Gerechtigkeit hat nicht besonders viel mit Leben und Tod zu tun. Das sollte er bei seiner Arbeit gelernt haben, und sei es nur das.
    Da es den Tod mitten im Leben gab. In deinen besten Tagen gehst du Hand in Hand mit dem Engel des Todes.
    Und er betete.
    Dieses Mal eine andere Art von Gebet. Definitiv anders. Der Herrgott kam und ließ sich neben Inspektor Barbarotti auf der Rückbank des Taxis zwischen Kymlinge und Göteborg nieder, und jetzt sprachen sie in einer neuen Art und Weise miteinander.
    Die alte Abmachung, sagte der Herr, dahingehend, dass ich dir meine Existenz immer wieder beweisen muss, es ist vielleicht an der Zeit, sie zu den Akten zu legen?
    Ohne auch nur eine Sekunde zu zögern, antwortete Gunnar Barbarotti, dass es sich genauso verhielte. Es war an der Zeit, sie zu den Akten zu legen.
    Denn jetzt geht es um etwas anderes, sagte der Herr. Nicht wahr?
    Stimmt genau, antwortete Gunnar Barbarotti. Es ist etwas ganz anderes, um das es jetzt geht. Von diesem Moment an. Wenn du nur …
    Nein, unterbrach der Herrgott ihn. Jetzt willst du wieder feilschen. An mich zu glauben, hat nichts mit Feilschen zu tun. Du kannst diese Bedingungen nicht mehr stellen: Wenn ich nur das und das mache, dann bist du damit einverstanden, dass ich existiere. Damit ist jetzt Schluss, ich bin es leid.
    Du bist es leid?, fragte Barbarotti.
    Ja, von Herzen leid. Ich gebe dir all meine Liebe, das ist die Botschaft, wenn du sie entgegennimmst und auf meiner Seite stehst, dann werde ich auf deiner Seite stehen. Aber ich bin nicht allmächtig. Ich herrsche nicht über alles, das ist ein altes Missverständnis. Ich herrsche nicht über den freien Willen der Menschen, und ich herrsche nicht über die Einfälle des Teufels. Ich bin die gute Kraft, aber es gibt auch eine böse Kraft. Und ich war es nicht, der Religionen, Kirchen und den Papst erfunden hat, das waren die Menschen. Verstehst du?
    Gunnar Barbarotti erklärte, dass er verstand. Zumindest zum Teil.
    Und was Marianne betrifft, so können wir nur zuversichtlich sein, fuhr der Herrgott fort. Du wie auch ich. Der Tod und das Leben sind wirklich Nachbarn, genau wie du es in deinem vom Schock gezeichneten Zustand festgestellt hast. Aber der Mensch ist nun einmal das einzige Wesen, das in der Lage ist, die Schönheit und Freuden des Lebens zu betrachten. Dass das so schwer zu begreifen ist.
    Ich begreife das, protestierte Barbarotti. Es ist nur so, dass … Jetzt fängst du schon wieder an, dich zu beklagen, unterbrach der Herrgott ihn. Hör auf damit. Sei zuversichtlich und behalte Marianne in deinen Gedanken, um etwas anderes brauchst du dich nicht zu kümmern.
    Dann war er verschwunden, und der Taxifahrer schaltete das Radio ein,

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