Einsamen
allein, so einfach ist das. Wenn Sie genauer darüber nachdenken, werden Sie mir bestimmt Recht geben.«
Eva Backman dachte kurz nach. Sie konnte sich weder dafür noch dagegen entscheiden, vielleicht stimmte es ja, was er sagte. Sie stellte ihre letzte Frage.
»Anna Berglund ist heute Morgen gestorben, wussten Sie davon?«
Als er gegangen war, blieb sie noch eine Weile im Raum sitzen und versuchte sich klarzumachen, ob er nun einen Seufzer der Erleichterung von sich gegeben hatte oder nicht. Auf jeden Fall hatte er zu der Nachricht, dass Anna Berglund verstorben war, keinen Kommentar abgegeben. Er hatte nur leicht mit dem Kopf geschüttelt, und es wäre eine Filmkamera nötig gewesen, um die Frage sicher beantworten zu können.
Aber das Gespräch gab es nur in ihrem Kopf und auf Band, und Seufzer können ziemlich lautlos sein. Insbesondere, wenn man versucht, sie zurückzuhalten. Schultern, die sich hoben und senkten. Ein Brustkorb, der sich etwas unmotiviert weitete.
Nicht viel, um damit zum Staatsanwalt zu gehen, aber vielleicht wäre es auf einem Film zu erkennen gewesen.
Sie selbst seufzte tief und rief Barbarotti an.
Bekam keine Antwort.
Sie blieb noch einen Moment lang sitzen, dann hob sie den Hörer erneut ab und rief in Skåne an.
45
D er Spatz danach.
Ich werde niemals darüber reden.
Sie hätten mich auch umbringen können, aber das ließen sie bleiben. So wenig bedeutete ich ihnen, dass sie darauf verzichteten, mich zu töten. Wenn ich jemals die Chance bekommen sollte, einen von ihnen zu töten, dann werde ich es tun. Ich würde keine Sekunde lang zögern, würde es voller Freude machen.
Aber ich werde natürlich nie so eine Chance bekommen.
Sie brachten mich zurück, wie es vereinbart war, und wir verließen Timisoara. Ich sagte nicht ein Wort zu den anderen, und schließlich akzeptierten sie mein Schweigen. Als wir ein paar Stunden später anhielten – es war spät in der Nacht, aber die Dämmerung zeigte sich noch nicht, und es war Tomas, der fuhr –, schrieb ich auf einen Zettel: Fahrt weiter bis zum Schwarzen Meer. Haltet nirgends an.
Sie versuchten erneut, mit mir zu reden, aber ich verkroch mich unter einer Decke ganz hinten im Bus. Es tat mir alles so schrecklich weh. Germund versuchte mich zu berühren, aber ich schlug nach ihm.
Er hatte eine große Fleischwunde in der Schulter, aber ich schlug nach ihm.
Wenn ein Kind geboren wird, setzt sich in ihm ein Hormon frei, das es vergessen lässt. Das habe ich irgendwo gelesen. Es ist mit das Erste, was in einem Leben geschieht, und das hat seinen Sinn. Das Erlebnis der Geburt, aus der Gebärmutter
hinaus, hinein in die Welt gedrängt zu werden, ist so stark, dass es mit nichts anderem verglichen werden kann. Deshalb muss es vergessen werden, damit es nicht allen anderen Erlebnissen im Weg steht.
Ich hätte gern eine Dosis von diesem Hormon gehabt. Ich lag da unter der Decke und dachte nach in dieser ersten Nacht.
Schenkt mir das Vergessen. Streicht diese Stunde aus meinem Leben.
Streicht, wie sie einer nach dem anderen in mich eindrangen. Wie sie sich mühten, mich mit ihren schmutzigen Fingern aufzubrechen. Wie sie mich zu zweit nahmen und wie sie mich knebelten, weil ich sie biss. Mit einem nach Benzin stinkenden Lappen, den sie in irgendeiner Ecke fanden.
Wie sie mich mit ihrem ekligen Sperma aus ihren schmutzigen Schwänzen vollspritzten und wie sie lachten.
Zwei von ihnen lachten. Einem von ihnen war es peinlich. Der Anführer verzog so gut wie keine Miene, während er am Werk war, aber er hätte mich fast erwürgt, als es endlich bei ihm kam. Ich versuchte nicht, ihn daran zu hindern, er ließ nur einfach zu früh los.
Ich werde nie wieder dieselbe sein. Gebt mir dieses Hormon. Ich will nie wieder in die Nähe eines anderen Menschen kommen.
Zwei Tage lang aß ich nichts. Wir schlugen nirgends unser Lager auf. Wortlos zwang ich sie, Tag und Nacht zu fahren.
Auf der Fahrt bekam ich meine Tage. Ich musste zum Schwarzen Meer und mich dort sauber waschen.
Wir kommen nach Mamaia. Ich gehe allein am Strand entlang. Ich spreche nicht. Ich erwidere keinen Blick.
Hin und her, hin und her. Eine Reihe von Touristenhotels, ein Sandstrand, ein Meer. Blasse, fette Chartertouristen, die in der Sonne liegen. Das Gebiet ist mit Stacheldraht eingezäunt. Keine Geschäfte, diese bleichen Fetten nehmen alle Mahlzeiten in ihren Hotels ein.
Wir passen nicht hierher. Wir wohnen in einem Bus auf einem Campingplatz, der gleich hinter dem
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