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Einsamen

Einsamen

Titel: Einsamen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Nesser
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nicht, ob ich davon weiß oder nicht. Ausgezeichnet.
    Aber wenn es wichtig gewesen wäre, dann hätte er sich wohl bei den anderen rückversichert?
    Oder?
    Falls so einem Gespräch nicht irgendwelche Hindernisse im Weg lagen.
    Aber wenn man die zählt, die noch am Leben sind, dann sind es ja nur noch zwei, dachte sie weiter. Seine eigene Ehefrau und Rickard Berglund.
    Elisabeth Martinsson auch noch, wenn man sie dazuzählen wollte.
    »Sie zögern«, sagte Eva Backman.
    Tomas Winckler nickte und sah aus, als hätte er einen Entschluss gefasst.
    »Wir haben eine Reise gemacht«, sagte er. »Im Sommer 1972. Danach haben wir uns nicht mehr so oft getroffen.«
    »Eine Reise?«, fragte Backman nach.
    »Wir sind zusammen durch den Ostblock gefahren«, erklärte Winckler. Er richtete sich ein wenig auf seinem Stuhl auf und fummelte wieder an seiner Brille. Die muss er gestern erst gekauft haben, dachte Backman. Die ist er noch nicht gewohnt.
    »Über einen Monat lang«, fuhr er fort. »Unter solchen Umständen kommt man sich sehr nahe. Manchmal ein wenig zu nahe, ja, so ist es wohl gewesen.«
    Zehn Minuten lang berichtete er von der Reise. Wie sie gemeinsam einen Bus gekauft hatten, wie sie durch die Ostblockländer gereist waren: Polen, Tschechoslowakei, Ungarn, Jugoslawien, Rumänien und Bulgarien. Wie Germund und er sich am Steuer abwechselten, da nur sie beide einen Busführerschein hatten. Wie arm, elend und deprimierend es an vielen Orten im sozialistischen Paradies war.
    Wie sie eine Woche am Schwarzen Meer blieben und dort badeten. Wie sie auf schlechten Straßen entlangtuckerten, wie sie auf dem Heimweg München genau an dem Tag passierten, an dem die Olympischen Spiele eröffnet wurden, die Spiele, die in erster Linie in die Geschichte eingingen, weil sieben israelische Sportler von Terroristen ermordet wurden und … ja, wie sie wahrscheinlich einander ziemlich überdrüssig wurden. Sechs junge Schweden, dicht gedrängt in einer Welt, die ihnen allen größtenteils sehr fremd vorkam.
    Eva Backman zog ein Papier hervor.
    »Dieser Bus, hängt der mit dem Reisebüro zusammen, das Sie haben eintragen lassen?«
    »Ja«, sagte Tomas Winckler. »Wir sind danach noch ein paar Mal nach Norrland gefahren, aber richtig gelohnt hat sich das nie. Anfang 1974 ging es dann den Bach runter.«
    »Aber Sie sind in der Reisebranche geblieben?«
    »Ja.« Er lächelte, routiniert entschuldigend. »Aber unter ein wenig geordneteren Verhältnissen.«
    »Ach ja?«, sagte Eva Backman und beschloss das Thema zu wechseln. »Können Sie mir etwas über Germund und Maria erzählen?«, bat sie.
    Er räusperte sich und dachte wieder einige Sekunden lang nach. »Die waren etwas Besonderes«, sagte er. »Alle beide, ziemlich speziell. Sie war meine Schwester, und ich habe sie geliebt, aber ich will nicht behaupten, dass ich sie jemals verstanden habe. Und Germund war ziemlich merkwürdig, so ein Sonderling. Aber sie passten gut zueinander, wirklich. Hinterher denkt man ja viel über so etwas nach.«
    Das Erzählen hat ihn weicher gemacht, stellte Backman fest. Sie hatte nicht viel gesagt, während er von dem Busabenteuer erzählte, nur vereinzelt Nachfragen eingeworfen, aber plötzlich war es, als handelte es sich hier um eine Unterhaltung, nicht um eine Vernehmung. Sie beschloss zu versuchen, diesen Ton beizubehalten.
    »Und wie war dann das Wiedersehen im Pfarrhaus?«, fragte sie. »Es muss doch trotz allem schön gewesen sein, sich wiederzutreffen?«
    »Ich glaube, weder Gunilla noch ich hatten allzu große Erwartungen«, antwortete Tomas Winckler nach einer erneuten kurzen Denkpause. »Und ich kann mich erinnern, dass wir hinterher, als wir an dem Abend ins Bett gingen, dass wir da beide fanden, dass es etwas steif gewesen war.«
    »Steif?«, fragte Backman.
    »Ja, genau. Jedenfalls war es nicht die alte Clique, die sich traf und Spaß zusammen hatte. Es war ein Gefühl … irgendwie von Peinlichkeit geprägt. Ich kann das nicht näher erklären. Gunilla war damals auch schwanger, zwar erst im vierten Monat, aber sie wurde schnell müde. Sie hatte ein paar Fehlgeburten hinter sich, aber dieses Mal ging es dann gut. Unsere älteste Tochter wurde im Februar 1976 geboren.«
    »Sie haben drei Kinder, nicht wahr?«
    »Ja.«
    »Aber an diesem Abend auf dem Pfarrhof, da ist nichts Besonderes passiert?«
    »Nein. Wir haben zusammen gegessen und uns unterhalten, ich glaube, keiner hat sich besonders gut amüsiert. Manchmal ist es einfach so, auch wenn

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