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Einsamen

Einsamen

Titel: Einsamen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Nesser
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zu, so ein Gefühl war das.
    Marianne. Gehirnblutung. Das war eine Art Information, die aufzunehmen ihr Hirn sich weigerte. Man kriegte doch wohl keine Gehirnblutung, wenn man erst … wie alt war sie noch mal? Fünfundvierzig? So etwas traf im Herbst des Lebens ein, nicht mitten drin. Nicht bei Marianne, das war ganz einfach unmöglich. Oder?
    »Mein Gott«, brachte sie schließlich heraus. »Ich habe nicht gewusst …«
    »Sie haben sie operiert«, sagte Barbarotti. »Aber bis jetzt ist sie noch nicht aufgewacht. Sie werden sie wahrscheinlich nicht vor morgen früh aufwecken.«
    »Was ist denn passiert?«, fragte Backman. »Ich kann nicht glauben, dass das wahr ist.«
    »Ein Aneurysma«, sagte Barbarotti. »Eine kleine Ader im Gehirn, die geplatzt ist.« Er machte eine kurze Pause, bevor er weitersprechen konnte, und als er es tat, klang seine Stimme, als hätte sie Probleme, dass sie nicht brach. »Das kann offenbar jederzeit passieren. Und bei jedem. Sie war bei der Arbeit und ist in Ohnmacht gefallen … ja, so ist es gewesen.«
    »So ist es gewesen«, wiederholte er aus irgendeinem Grund.
    »Das klingt ja vollkommen verrückt«, sagte Backman. »Was wird … bleiben irgendwelche Folgen, oder, ich meine … was sagen die Ärzte?«
    Er räusperte sich. »Die können nichts sagen, solange sie noch nicht aufgewacht ist. Ich sitze bei ihr und warte.«
    »Du musst ja unter Schock stehen«, sagte Eva Backman.
    »Das stimmt«, bestätigte Barbarotti. »Ich befinde mich jetzt seit sieben Stunden im Schockzustand. Aber es geht hier nicht um mich, es geht um Marianne.«
    »Ja, es geht um Marianne«, stimmte Eva Backman zu, und plötzlich merkte sie, wie ihre eigene Existenz ins Schwanken geriet. Ein kurzes mentales Erdbeben, wahrscheinlich ein wenig verzögert, da bereits eine Minute seit Erreichen des Epizentrums vergangen war. Sie setzte sich und dachte, dass das eigentlich kein Wunder war. Weder das Beben noch die Verzögerung. Barbarotti sagte nichts, aber sie hörte seinen Atem im Hörer.
    »Was ist mit den Kindern?«, fragte sie.
    »Johan und Jenny kommen morgen früh her«, sagte er. »Jedenfalls ist es so geplant. Sara ist so lange bei ihnen.«
    Eva Backman nickte. Wozu es auch immer dienen sollte, zu nicken, wenn man telefonierte. Aber plötzlich erschienen alle Worte ziemlich fadenscheinig. Was gab es noch zu sagen? Was konnte noch hinzugefügt werden?
    »Haben die Ärzte dich nicht informiert?«, fragte sie. »Du musst doch zumindest ein wenig erfahren haben?«
    »Nicht viel«, antwortete Barbarotti. »Aber zumindest ist es keine größere Blutung, und sie sagen, dass die Operation gut verlaufen ist. Sie behaupten, es gebe allen Grund, optimistisch zu sein, aber ich weiß nicht … warte, da kommt eine Krankenschwester und will mit mir sprechen. Ich muss auflegen.«
    »Pass auf dich auf«, sagte Eva Backman. »Ich werde die ganze Nacht an dich denken.«
    »Danke«, sagte Gunnar Barbarotti.
    Sie blieb eine ganze Weile in der Sofaecke sitzen, bevor sie in der Lage war, aufzustehen. Das Gespräch saß wie ein Nagel in ihr, so ein Gefühl war das. Ein großer, rostiger Nagel. Dass … dass das Leben so verdammt zerbrechlich sein konnte. Dass jederzeit alles Mögliche geschehen konnte.
    Wem auch immer. So war es offensichtlich. Sie verschränkte die Hände und schloss die Augen. Bilder von Marianne tanzten vor ihrer inneren Netzhaut. Besonders von dem gemeinsamen Essen vor vierzehn Tagen in der Villa Pickford, mit den sieben Teenagern. Da hatte es doch keinerlei Anzeichen gegeben?
    Nein, kein einziges Anzeichen, stellte sie fest, und das war wohl am Erschreckendsten. Dass man keinerlei Vorwarnung bekam. Dass es einfach passierte. Die wunderbare, warme, großzügige Marianne.
    Dann dachte sie, dass man trotz allem den Teufel nicht an die Wand malen sollte. Schließlich war sie immer noch am Leben. Vielleicht würde sie einfach aufwachen und wieder vollkommen gesund sein? Oder es würden nur ganz geringe Schäden zurückbleiben?
    Und welche Schäden könnten es sein? Sie hatte keine Ahnung. Ich weiß über so etwas wirklich nicht Bescheid, dachte Eva Backman. Was nach einer Gehirnblutung passieren kann.
    Teile des Gehirns wurden ja wohl in Mitleidenschaft gezogen, wie gering die Blutung auch immer gewesen sein mochte, das konnte sich jeder ausrechnen. Aber vielleicht konnten ja andere Hirnteile die Funktionen der Bereiche übernehmen, die beschädigt worden waren? Sie meinte sich zu erinnern, dass sie vor langer Zeit

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