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Einsamen

Einsamen

Titel: Einsamen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Nesser
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»Nun?«
    »Du möchtest also, dass ich dir erkläre, warum Germund Grooth in die Gänseschlucht gesprungen ist?«
    »Genau«, bestätigte Barbarotti. »Kläre ein havariertes Bullenhirn doch bitte darüber auf, sei so gut. Warum hat er sich also genau an dem Ort das Leben genommen, an dem seine Lebensgefährtin vor fünfunddreißig Jahren gestorben ist?«
    »Ich finde, die Antwort ist bereits in der Frage enthalten«, sagte Backman.
    »Was?«, fragte Barbarotti.
    »Ungefähr so, ja«, nickte Backman.
    »Du meinst, es ist ganz normal?«
    »Jedenfalls nicht so schrecklich außergewöhnlich. Wenn man beschlossen hat zu sterben, dann sucht man sich vielleicht den Platz mit etwas Sorgfalt aus, oder?«
    Barbarotti betrachtete sie missmutig und dachte nach. »Verdammt«, sagte er. »Ich habe dieser Entscheidung noch nie so nahegestanden, dass ich über die Methode nachgedacht habe. Oder den Ort. Du?«
    »Vielleicht als Teenager«, gab Eva Backman zu. »Aber da war ich nicht ganz gescheit. Sie können natürlich alle beide gesprungen sein. Sie und er. Und er kann gewusst haben, dass sie es getan hat.«
    »Nach all den Jahren?«
    »Nach all den Jahren. Vielleicht war sie seine einzige große Liebe, und nach fünfunddreißig Jahren hat er aufgegeben. Wollte mit ihr in irgendeiner Art und Weise wieder vereint sein, ich finde das wirklich nicht so besonders merkwürdig.«
    »Mit wem hast du gesprochen?«, fragte Barbarotti.
    »Mit zweien«, sagte Eva Backman. »Gunilla Winckler-Rysth und Elisabeth Martinsson. Mit Letzterer nur am Telefon. Ich bin auch nicht besonders scharf vorgegangen.«
    »Was meinst du damit?«, fragte Barbarotti.
    »Dass ich mich nicht um die Alibifrage geschert habe zum Beispiel. Wie groß ist das Zeitfenster, um das es geht? Vier Stunden, habe ich das richtig verstanden?«
    Barbarotti nickte. »Im Großen und Ganzen. Samstag zwischen zwölf und vier ungefähr. Ritzén tendiert eher zum früheren Zeitpunkt als zum späteren, aber es ist offensichtlich nicht genauer einzukreisen.«
    »Schade, dass der Alte mit dem Hund nicht häufiger seine Runden dreht. Das hätte uns geholfen.«
    »Ich weiß«, stimmte Barbarotti zu. »Aber es ist nun einmal so, wie es ist. Und ich finde es schade, dass du es so vereinfachen willst. Ich habe nämlich ein ganz anderes Bauchgefühl bei der Sache.«
    »Ich wusste nicht, dass du mit Aromatherapie angefangen hast«, sagte Backman. »Oder ist es Sensobalance?«
    »Beides«, sagte Barbarotti. »Man soll die Wissenschaft nicht unterschätzen. Dann hast du also nicht mit dem Pfarrer gesprochen?«
    »Er ist kein Pfarrer mehr.«
    »Hast du mit dem Ex-Pfarrer gesprochen?«
    »Nein. Seine Frau hat Krebs und liegt im Sterben.«
    »Stimmt, das hast du erwähnt«, sagte Barbarotti seufzend. »Keine schöne Situation, aber wir müssen wohl dennoch etwas tun, oder? Willst du, dass ich mich um ihn kümmere?«
    »Gern«, sagte Backman. »Und was liegt in der anderen Waagschale?«
    »Die hier«, sagte Barbarotti und überreichte ihr die Ordner. »Aber ich will nicht, dass du sie mit deiner vorgefassten Meinung liest.«
    »Jetzt redest du wieder Blödsinn«, sagte Backman. »Ich weiß nicht, was vorgefasst bedeuten soll. Wann sollen wir das mit Asunander durchziehen?«
    »Morgen Nachmittag«, sagte Barbarotti. »Du hast also den ganzen Abend und morgen dafür Zeit.«
    »Okay«, sagte Backman. Nahm die Ordner entgegen und überreichte ihm eine dünne Mappe.
    »Was ist das?«
    »Die abgetippten Vernehmungen von Winckler-Rysth und Martinsson. Ich möchte nicht, dass du nichts zu tun hast, falls du den Ex-Pfarrer nicht erwischst.«
    »Danke«, sagte Gunnar Barbarotti, »du bist zu gut zu mir.«
    »Ich habe sie in Jamben verfasst«, erklärte Backman. »Ich hoffe, du weißt es zu schätzen.«
    »Ich werde sie vertonen«, erwiderte Barbarotti. »Dann können wir morgen Asunander ein Duett singen.«
    »Mon dieu«, sagte Backman.
    Verdammt, warum reden wir so miteinander?, fragte er sich, nachdem sie die Tür geschlossen hatte.
    Um den trüben Alltag zu vergolden oder warum? Weil wir unseren Job so leid sind, dass wir ihn sonst nicht ertragen?
    Und was ist das für ein diffuser Juckreiz, den ich in meiner Seele mit mir herumschleppe?
    Die letzte Frage stellte er Marianne einige Stunden später.
    »Ich laufe mit so einem diffusen Jucken in der Seele herum. Was glaubst du, was kann das sein?«
    Es war halb zehn Uhr abends. Sie hatten sich in ihr gemeinsames Arbeitszimmer zurückgezogen. Eigentlich

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