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Einsamen

Einsamen

Titel: Einsamen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Nesser
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aus der Thermoskanne nach und wartete. Strich sich Marmelade auf einen Zwieback und versuchte, ihren Ärger zu unterdrücken.
    »Er wollte sich das Leben nehmen.«
    »Was?«
    »Germund wollte rausgehen und sich das Leben nehmen. Deshalb bin ich ihm gefolgt.«
    Sie bereute, dass sie ihn nicht schon gestern Abend gefragt hatte. Sie hatte es stattdessen vorgezogen zu schweigen und verletzt zu sein. Gegen zwei Uhr, nachdem alle gegangen waren, waren sie ins Bett, und sie hatten nicht ein Wort miteinander gewechselt. Hatten nur Rücken an Rücken da gelegen und waren eingeschlafen.
    Und jetzt saß er hier und behauptete, er hätte Germund das Leben gerettet. Verdammte Scheiße, dachte Gunilla Rysth. Wenn das eine Lüge ist, dann ist es ernst. Richtig ernst.
    Aber warum sollte er lügen? Er hatte eine ganze Nacht Zeit gehabt, sich eine bessere Lüge auszudenken.
    »Erzähl«, sagte sie und zündetet eine Zigarette an.
    »All right«, sagte Tomas. »Aber ich habe ihm versprechen müssen, nicht darüber zu reden.«
    Sie nahm einen Zug und wartete wieder. Er seufzte und wippte mit dem Stuhl. Betrachtete die Berge schmutzigen Geschirrs.
    »Du darfst es nicht Maria erzählen.«
    »Ich denke gar nicht daran, es irgendjemandem zu erzählen. Er war ziemlich blau, oder?«
    »Ich weiß. Aber das war nicht nur Besoffenengerede. Ich habe es jedenfalls nicht so aufgefasst. Es war blöd, dass er auf diesen verfluchten Lars-Inge gestoßen ist.«
    »Ja, wieso hast du den überhaupt eingeladen? Hast du keine netteren Kommilitonen?«
    »Sorry«, sagte Tomas. »Ich habe ihn bisher nur nüchtern erlebt. Nein, der war wirklich unerträglich. Man muss sich tatsächlich fragen, wie das Land aussehen wird, wenn solche wie er die Finanzen in der Hand haben.«
    »Du musst das Gegengewicht bilden. Und dieser Bengan, der war doch in Ordnung.«
    Tomas zuckte mit den Schultern. Sie seufzte. »Man muss sich doch nicht gleich das Leben nehmen, wenn man auf einen unsympathischen Volkswirtschaftler stößt? Oder?«
    Er schüttelte den Kopf. »Nein, hoffentlich nicht. Ich habe ihn auch nicht verstanden. Aber manchmal ist es nur ein Funke, der nötig ist, weißt du? Und gestern war die Situation für Germund offenbar soweit. Es war nicht einfach, etwas Vernünftiges aus ihm herauszukriegen, außer der Tatsache, dass es nichts Akutes zu sein schien.«
    »Was meinst du mit nichts Akutes?«
    »Nun ja, nichts, was gerade passiert ist oder so. Sondern etwas, was er mit sich herumschleppt und was immer mal wieder an die Oberfläche kommt. Vielleicht hat es mit dem Tod seiner Eltern und seiner Schwester zu tun. Dass das immer noch in ihm rumort, aber ich weiß es nicht. Ich wollte nicht fra-
gen.«
    »Was hat er denn überhaupt gesagt?«
    Tomas schüttelte erneut den Kopf. »Er kam vom Klo, und da hat er zu mir gesagt: ›Ich habe jetzt genug, Tomas, ich hau ab und bring mich um. Bitte sag Maria, dass es mir leid tut.‹«
    »Was? Das hat er gesagt?«
    »Ja. Genau das hat er gesagt. Wort für Wort. Und er klang stocknüchtern, auch wenn er es nicht war. Dann hat er seine Jacke und seinen Schal genommen und ist durch die Tür hinaus. Was hätte ich denn tun sollen?«
    Gunilla drückte ihre Zigarette aus und versuchte eine spontane Reaktion zu finden, fühlte sich jedoch nur verwirrt. Und irgendwie diffus. Das war unbegreiflich und nicht zu fassen. Sie dachte, dass sie genau genommen Germund Grooth überhaupt nicht kannte. Sie hatte nie mit ihm unter vier Augen gesprochen, wie beispielsweise mit Rickard oder Maria. Nicht, dass sie deshalb Maria viel besser gekannt hätte, weiß Gott nicht, aber zu Germund hatte sie überhaupt keine Beziehung. Wenn sie einmal plötzlich allein miteinander gewesen waren – was nicht besonders oft vorgekommen war, aber doch einige Male –, dann hatte sie nie so recht gewusst, was sie sagen sollte. Es gab auch keine Möglichkeit, mit ihm herumzualbern, wie sie es zumindest mit Maria konnte. Über Tomas halb im Scherz, halb im Ernst herzuziehen beispielsweise.
    Germund Grooth war einfach nur anstrengend. Überheblich, ohne es offensichtlich sein zu wollen. Sie hatte nichts gegen ihn, absolut nicht, aber er war und blieb für sie ein Fremder. Wir sind zwei Arten, die nicht miteinander kommunizieren können, dachte sie. Ganz einfach. Ein Fisch und eine Kuh.
    Sie musste lachen. Tomas bekam eine irritierte Falte auf der Stirn.
    »Worüber lachst du?«
    »Tut mir leid. Nichts. Also, und was habt ihr dann gemacht?«
    Tomas breitete die Arme

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